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strenge Arbeiterschutzvorschriften getroffen für die Beschäftigung der jugendlichen Arbeiter (zwischen 14 und 16 Jahren). Die Aufsicht über die Einrichtung der Werkstätten und Fabriken führen Gewerbeaufsichtsbeamte (Gewerbeinspektoren), die ihre Tätigkeit entweder ausschließlich oder neben den ordentlichen Polizeibehörden ausüben; sie dürfen jederzeit die ihrer Revision unterliegenden Betriebe besuchen, um nachzusehen, ob alle gesetzlichen Vorschriften befolgt werden. – Eine noch weitergehende Beschränkung der Kinderarbeit, als dies durch die Gewerbeordnung vorgesehen ist, führt das sogenannte Kinderschutzgesetz vom Jahre 1903 ein. – Zugunsten der Hausarbeiter ist 1912 das Hausarbeitsgesetz in Kraft getreten, das besondere Vorschriften über Lohnverzeichnisse, Lohntafeln, Lohnbücher oder Arbeitszettel bringt. – Das Stellenvermittlergesetz von 1910 soll die Arbeitgeber und Arbeitnehmer schützen, wenn sie sich mit einem gewerbsmäßigen Stellenvermittler in Verbindung setzen. – Für die Entscheidung von gewerblichen Streitigkeiten zwischen Arbeitern einerseits und ihren Arbeitgebern anderseits sowie zwischen Arbeitern desselben Arbeitgebers können nach dem Gewerbegerichtsgesetz von 1890 Gewerbegerichte errichtet werden; für Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern muß die Errichtung stattfinden. Durch dieses Sondergericht soll nach den praktischen Bedürfnissen des gewerblichen Verkehrs und nach dem gesunden Menschenverstand auf Grund der einfachen Rechtsbegriffe des täglichen Lebens vorzugsweise von Männern, die teils selbst Arbeiter sind, teils zu ihnen in nächster Beziehung stehen, Recht gesprochen und dabei tunlichst auf gütliche Erledigung des Rechtsstreites hingewirkt werden.

Wichtige Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Seit 1. Januar 1900 haben wir ein einheitliches Bürgerliches Gesetzbuch für das Deutsche Reich. Wir heben kurz die Materien heraus, die speziell für den Handwerkerstand bedeutungsvoll sind: Dienstvertrag und Werkvertrag nebst Werklieferungsvertrag. Die Bestimmungen über den Dienstvertrag gelten für alle Angestellten, deren Dienstverhältnis nicht anderweitig geregelt ist, wie es z. B. für die gewerblichen Arbeiter in der Reichsgewerbeordnung, für die Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge im Handelsgesetzbuch geschehen ist. – Gegenstand des Werkvertrags ist sowohl die Herstellung als die Veränderung einer Sache, als ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg, z. B. man bestellt beim Schneider einen Anzug und liefert selbst den Stoff dazu. Liefert dagegen der Schneider den Stoff zu dem Anzug, so liegt ein Werklieferungsvertrag vor. – Für die Bauhandwerker trifft das Bürgerliche Gesetzbuch noch eine besondere Schutzbestimmung, indem es ihnen das Recht auf Eintragung einer Sicherungshypothek für ihre Forderungen aus dem Vertrage bei einem Bauwerk oder einem einzelnen Teile eines Bauwerks einräumt. – Darüber hinaus hat das Reich in dem Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen von 1909 noch weitere Schutzmaßregeln getroffen. Der 1. Teil dieses Gesetzes gilt für das ganze Reich und schreibt u. a. vor, daß geliehene Baugelder nur zur Befriedigung solcher Personen verwendet werden dürfen, die an der Aufrichtung des Gebäudes mittätig sind; zur Kontrolle muß ein Baubuch geführt werden. Der 2. Teil sieht noch besondere

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 792. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/355&oldid=- (Version vom 20.8.2021)