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Lehrherrn durch Krankheit usw. Der Bundesrat ist befugt, für einzelne Gewerbe Ausnahmen von diesen strengen Bestimmungen zuzulassen. Auch den Meistertitel in Verbindung mit der Bezeichnung eines Handwerks dürfen nach dem Gesetze vom 30. Mai 1908 nur noch solche Handwerker führen, die für dieses Handwerk die Meisterprüfung bestanden und das 24. Lebensjahr zurückgelegt haben. Für die Übergangszeit ist ergänzend bestimmt: „Die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes schon erworbene Befugnis zur Führung des Meistertitels in Verbindung mit der Bezeichnung eines Handwerks bleibt unberührt.“ Diese Bestimmung gilt zugunsten der Handwerker, auf die die Übergangsbestimmung des Gesetzes vom 26. Juli 1897 zutraf (vgl. oben S. 337). Wer ohne Befugnis den Meistertitel im Handwerk führt, kann bestraft werden. Zur Meisterprüfung sind in der Regel nur solche Personen zuzulassen, die eine Gesellenprüfung bestanden haben und in dem Gewerbe, für das sie die Meisterprüfung ablegen wollen, mindestens 3 Jahre als Geselle tätig gewesen sind. Ferner ist bestimmt, daß während der ersten 5 Jahre nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, also bis zum 1. Oktober 1913, die Zulassung zur Meisterprüfung von dem Bestehen der Gesellenprüfung nicht abhängig gemacht werden darf. Das gleiche gilt auch nach Ablauf dieser 5 Jahre für Personen, die am 1. Oktober 1908 zur Anleitung von Lehrlingen befugt waren. Die Prüfung hat den Nachweis der Befähigung zur selbständigen Ausführung und Kostenberechnung der gewöhnlichen Arbeiten des Gewerbes sowie der zu dessen selbständigem Betriebe sonst notwendigen Kenntnisse, insbesondere auch der Buch- und Rechnungsführung, zu[WS 1] erbringen. Eine von der Handwerkskammer zu erlassende Prüfungsordnung regelt das Verfahren bei der Prüfung. –

Damit sind wir bei dem gesetzlichen Stande angelangt, den die Reichsgewerbeordnung bis heute hat. Aber noch wogt der Kampf der Meinungen über ihre zweckmäßigste Gestaltung im Interesse des Handwerks auf und ab und wird in absehbarer Zeit auch nicht aufhören. Aufgabe der Handwerker ist es, vor allem zunächst die Vorteile der Handwerkergesetzgebung auszunutzen, indem sie das Innungswesen durch Errichtung möglichst vieler leistungsfähiger Innungen weiter beleben, die Tätigkeit der Handwerkskammern unterstützen und sich durch Ablegung der Meisterprüfung als vollwertige Handwerker erweisen. –




Andere gesetzgeberische Maßnahmen.

Es ist noch eine Reihe von gesetzgeberischen Maßnahmen zu erwähnen, die in den letzten 25 Jahren getroffen worden sind und im Interessenkreise des Handwerks liegen.

Reichsgewerbeordnung u. a.

Die Reichsgewerbeordnung stellt den Grundsatz des freien Arbeitsvertrages zwischen den selbständigen Gewerbetreibenden und den gewerblichen Arbeitern auf, unterwirft ihn aber in vielen Punkten einer Beschränkung, wie Verbot der Sonntagsarbeit, Ausrüstung der minderjährigen Arbeiter mit einem Arbeitsbuche usw. Sie hat auch besonders

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: szu
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 791. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/354&oldid=- (Version vom 20.8.2021)