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betreiben, und solche Gewerbetreibende, die der Regel nach weder Gesellen noch Lehrlinge halten, wenn in diesem Falle bei Errichtung der Innung der Antrag darauf gerichtet war, diese auszuschließen. Berechtigt zum Beitritt sind u. a. Werkmeister, ferner mit Zustimmung der Innungsversammlung solche, die das Gewerbe fabrikmäßig betreiben, und die Gewerbetreibenden, die der Regel nach weder Gesellen noch Lehrlinge halten und deshalb nicht in den Zwang einbezogen gewesen sind; diesen Personen ist der Austritt aus der Innung am Schlusse jedes Rechnungsjahres gestattet. Im übrigen finden auf die Zwangsinnungen die Vorschriften über die freien Innungen Anwendung, aber unter Berücksichtigung einer Reihe von abweichenden Vorschriften. Diese beziehen sich besonders auf eine strengere Kontrolle der Vermögensverwaltung durch die Aufsichtsbehörde und auf die Zusammensetzung des Vorstandes und der Ausschüsse. So unterliegt der aufzustellende Haushaltsplan der Genehmigung der Behörde, damit für eine zweckentsprechende Verwendung der zwangsweise aufgebrachten Gelder Sicherheit geboten ist. Zu bemerken ist noch, daß bei Aufbringung der Kosten der Einrichtung wie der Tätigkeit der Zwangsinnung die Leistungsfähigkeit der einzelnen Betriebe berücksichtigt werden muß, während bei der freien Innung der Beitrag für alle Mitglieder gleich gehalten werden kann; Eintrittsgelder dürfen bei der Zwangsinnung nicht erhoben werden. Die Erhebung von Gebühren für die Benutzung der von der Zwangsinnung getroffenen Einrichtungen unterliegt der behördlichen Genehmigung. Die Schließung der Zwangsinnung kann nur unter bestimmten Voraussetzungen durch die höhere Verwaltungsbehörde ausgesprochen werden.

Die Zwangsinnungen haben vor den freien Innungen mannigfache Vorzüge voraus, die wohl geeignet erscheinen, ihre Tätigkeit zu einer segensreichen zu gestalten. Da der Ein- und Austritt nicht im Belieben des einzelnen steht, so wird der Zwangsinnung die Durchführung ihrer Bestimmungen wesentlich erleichtert. Sie zieht sämtliche handwerksmäßigen Betriebe in ihren Kreis, auch die größeren, die sonst gewöhnlich außerhalb des Innungslebens standen; da nun die Beiträge nach der Leistungsfähigkeit der Mitglieder erhoben werden, so ist der Gerechtigkeit Genüge geschehen. Durch den bei der Zwangsinnung zu bildenden Gesellenausschuß, den Prüfungsausschuß und die Pflicht zur ständigen Überwachung aller angehörigen Betriebe wird ein reges Innungsleben und eine einheitliche Teilnahme an sämtlichen Einrichtungen der Innung gewährleistet. Die Zwangsinnungen müssen immer Fachinnungen oder Innungen verwandter Gewerbe sein; so ist in ihnen eine bessere Vertretung der Interessen des einzelnen Handwerks gesichert, als in einer freien Innung.

Innungsinspektoren. Gesellenausschüsse.

Das Handwerkergesetz bringt sodann eine Neueinrichtung zur Aufsicht über die Mitglieder. Die Innungen sind nämlich befugt, durch Innungsinspektoren, Beauftragte genannt, die Befolgung der gesetzlichen und statutarischen Vorschriften in den zur Innung gehörigen Betrieben zu überwachen und von der Einrichtung der Betriebsräume und der für die Unterkunft der Lehrlinge bestimmten Räume Kenntnis zu nehmen.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 782. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/345&oldid=- (Version vom 20.8.2021)