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die sich im Laufe der Zeit und namentlich im letzten Menschenalter auf dem Gebiete des Handels vollzogen haben, mit allen ihren Folgen gerade im Warenhandel am schärfsten zum Ausdruck gekommen sind. Vom Gesamtwarenhandel ist es wiederum der Hauptteil dieser Handelsart, der Freud und Leid der Entwicklung am meisten gespürt hat, der Detailhandel.

Niemand wird angesichts der reichen Ausgestaltung, welche der Detailhandel im Ganzen wie in seinen einzelnen Betrieben während der letzten Jahrzehnte erfahren hat, in Abrede stellen, daß die Leistungsfähigkeit hier stark gewachsen ist, indes kann ebensowenig bestritten werden, daß neben der Errungenschaften, die vorzugsweise dem kaufenden Publikum zugute gekommen sind, im Gewerbe Erscheinungen zutage getreten sind, die den Kampf ums Dasein erheblich schwieriger gestalten. Hat sich auch überall im wirtschaftlichen Leben der Wettbewerb verschärft, so trifft diese Wahrnehmung doch in erster Linie für den Warenhandel zu. Es kann deshalb nicht verwunderlich erscheinen, daß je mehr hier neue Konkurrenzbetriebe auf den Plan treten, um so lauter aus den Kreisen derer, die bisher im Besitze gewesen sind, die Klage ertönt, daß das ganze Gewerbe gefährdet sei.

Unter den neuen Konkurrenten, die in den Detaillistenstand eingerückt sind, stehen voran die Warenhäuser.

Detailhandel und Warenhäuser.

Entgegen dem großen Zuge, der das kaufmännische Gewerbe beherrscht, der Spezialisierung, haben die Warenhäuser den Grundsatz der Zusammenfassung aller Warengruppen an einer Verkaufsstelle zur Durchführung gebracht, unter weitgehender Benutzung der Vorteile des Großbetriebes. Die Gesetzgebung steht der neuen Erscheinung im allgemeinen nicht freundlich gegenüber. Das preußische Gesetz vom 18. Juli 1900 belegt die Warenhäuser mit einer Sondersteuer in Höhe von 1–2% des Umsatzes, und Bayern, Sachsen usw. sind dem Beispiele gefolgt. Die Ausdehnung, welche der Warenhausbetrieb in Preußen während des verflossenen Jahrzehnts gewonnen hat, läßt sich an der Hand nachstehender Tabelle abschätzen.

Zahl der Warenhäuser und ihre Steuern.

1903 1904 1905 1906 1907
Zahl der Warenhäuser 73 82 93 90 101
Betrag der veranlagten Wa-
renhaussteuer in Mark
1 933 250 1 965 005 2 160 394 2 525 218 2 676 545
1908 1909 1910 1911 1912
Zahl der Warenhäuser 107 101 109 108 121
Betrag der veranlagten Wa-
renhaussteuer in Mark
2 737 074 2 583 704 3 077 707 3 346 324 3 933 066

Es ergibt sich darnach, daß im letzten Jahrzehnt die Zahl der Warenhäuser um etwa 50%, ihre Steuerleistung aber um etwa 100% gewachsen ist. Die Zahl ist in geringerem Maße gestiegen als der Umsatz, d. h. eine Reihe von Warenhäusern hat sich zu Riesenbetrieben ausgewachsen.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 725. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/288&oldid=- (Version vom 20.8.2021)