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Berufen. Die große Menge der Mädchen, die sich einem Berufe widmen wollen oder müssen, fand bis vor nicht langer Zeit die Pforten zu zahlreichen Gewerben verschlossen; unter den wenigen Berufen, die sich ihnen öffneten, stand in erster Linie der kaufmännische. Ihm wandte sich deshalb Jahr für Jahr ein starker Strom weiblicher Arbeitskräfte zu, gleichgiltig, ob der Bedarf den Zugang rechtfertigte, gleichgiltig, ob die Arbeitswilligen sich die nötige Vorbildung erworben hatten. In dieser Beziehung hat die Neuzeit anerkennenswerte Fortschritte aufzuweisen, deren Einwirkung auch das Handelsgewerbe spüren wird. Immer mehr Berufe werden den Frauen erschlossen, so daß die Verteilung auf das Gebiet der Erwerbstätigkeit nicht in dem Maße wie zuvor mit künstlicher Stromleitung zu rechnen hat. Freilich stehen wir erst in den Anfängen der Entwicklung. Auch der Gedanke, daß männliche und weibliche Handlungsgehilfen in bezug auf Vorbildung, Lehrzeit usw. nicht verschieden zu behandeln seien, bricht sich Bahn.

Der Warenhandel.

Alles, was in Vorstehendem ausgeführt ist, trifft in besonderem Maße auf diejenige Unterart des Handelsgewerbes zu, die den weitaus größten Bestandteil des Ganzen bildet, auf den Warenhandel. Er ist der eigentliche Handel. Erheblich mehr als drei Viertel der Personen, die im gesamten Handelsgewerbe beschäftigt werden, entfallen auf diesen Hauptzweig, und in ihn vornehmlich hat sich die große Menge von Arbeitskräften ergossen, die während der letzten Jahrzehnte neu in das Handelsgewerbe eingetreten sind. Es haben sich zwar auch die anderen Unterarten des Handelsgewerbes an diesem Vermehrungsprozeß beteiligt, prozentual sogar in höherem Grade als der Warenhandel, indes bleiben sie in den absoluten Ziffern weit zurück. Die nachstehende Aufstellung, die der amtlichen Berufsstatistik des Reiches entnommen ist, gibt ein Bild der Bedeutung der Handelszweige nach der Kopfzahl der in ihnen tätigen Personen.

Unterarten des Handelsgewerbes Zahl der im
Jahre 1907
tätigen Personen
Der Zuwachs
betrug gegen das
Jahr 1895
Warenhandel 1 491 780 456 557
Geld- und Kredithandel 66 338 32 649
Handelsvermittlung 55 885 14 604
Hilfsgewerbe des Handels 47 746 15 728
Buch-, Kunst- und Musikalienhandel 37 910 16 216
Zeitungsverlag und -spedition 17 300 9 634
Versteigerung, Verleihung, Aufbewahrung 22 951 10 236

Die erwähnte Tatsache, daß der Warenhandel in besonderem Maße die Kennzeichen des Handelsgewerbes überhaupt aufweist, wird auch dadurch bestätigt, daß das weibliche Element hier den breitesten Raum einnimmt. Es macht mehr als ein Drittel des Personalbestandes aus, während in den übrigen Handelszweigen seine Beteiligung bisher nur einen verhältnismäßig geringfügigen Umfang erreicht hat.

Der Detailhandel.

Kann man Warenhandel als den eigentlichen Handel bezeichnen, so erklärt sich die Tatsache, daß die Wandlungen,

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 724. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/287&oldid=- (Version vom 20.8.2021)