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stellten, aufzunehmen. Aber mit einer derartigen Aufsaugung von Arbeitskräften war nicht, wie es in der Industrie zutage trat, eine Aufsaugung der Kleinbetriebe verbunden.

Zur Illustrierung der eben gemachten Ausführungen mögen hier noch ewige Zahlen folgen, die sich auf Preußen beziehen.

Zahl der Betriebe
in Industrie und Handwerk im Handel
1882 1907 Zu- oder
Abnahme
1882 1907 Zu- oder
Abnahme
Gehilfenlose Betriebe 755 176 518 574 −30 % 246 501 252 904 +2½ %
Betriebe mit höchstens 2 Gehilfen 249 768 279 582 +12 % 92 877 314 235 +238 %
mit 3–5 Gehilfen 162 656 204 487 +25 % 50 696 119 484 +140 %
mit 6–10 Gehilfen 28 431 55 282 +94 % 10 667 28 435 +167 %
mit 11–50 Gehilfen 20 579 51 485 +150 % 4 448 16 700 +275 %
mit mehr als 50 Gehilfen 5 529 16 463 +200 % 255 1 697 +565 %

Der Unterschied in der beiderseitigen Entwicklung springt scharf ins Auge. In den verarbeitenden Gewerben haben die Zwergbetriebe eine Abnahme erfahren, die fast ein Drittel beträgt, und die kleinen Betriebe haben zwar nicht an Zahl eingebüßt, sind aber doch nur um ein Geringes gewachsen. Im Handelsgewerbe dagegen haben sich die Zwergbetriebe ziemlich behaupten können, die Zahl der kleinen und mittleren Betriebe hat stark zugenommen.

Groß- und Kleinunternehmung im Handelsgewerbe.

An der eben geschilderten Stelle offenbart sich das Wesen des Handelsgewerbes, seine Kraft, wie seine Schwäche.

Auf allen Feldern des wirtschaftlichen Schaffens begegnen wir den beiden Formen der Unternehmung: dem Großbetrieb und Kleinbetrieb. Der Untergang des letzteren erscheint vom sozialen Standpunkte als eine Gefahr, der mit allen Kräften entgegengearbeitet werden muß. Am erheblichsten ist die Gefahr auf dem Gebiete der Industrie, am schwächsten auf dem Gebiete der Landwirtschaft; das Handelsgewerbe steht in der Mitte. Nicht menschlicher Unverstand schafft diese Verschiedenheiten, die Natur der Dinge gibt den Grund ab für die Staffelung. In der Industrie ist die technische Überlegenheit des Großbetriebes am hervorstechendsten, in der Landwirtschaft ist sie am geringsten, ja, sie kehrt sich hier wohl ins Gegenteil. Das Handelsgewerbe bietet zwar auch dem Großbetrieb ein Feld der Betätigung, indes stehen den Vorteilen, die diesem System an sich eigen sind und die besonders auf der Möglichkeit einer mechanischen Gestaltung der Arbeit, einer Massenbehandlung in persönlicher wie sachlicher Beziehung beruhen, Nachteile gegenüber, die der Kleinbetrieb vermeidet, da er für eine individualisierende Geschäftstätigkeit mehr geeignet ist. So ergibt sich die Tatsache, daß ungeachtet des scharfen Wettbewerbes, den die Großbetriebe entfalten und der an einzelnen Stellen die Reihen der Kleinbetriebe dezimiert, doch im großen und ganzen diese ungeschwächt an Zahl aus dem Konkurrenzkampfe hervorgehen.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 722. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/285&oldid=- (Version vom 20.8.2021)