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bedenklich. Eben deswegen war der Steuerreformplan der letzten Bülowschen Ära der richtigere, weil er eine Ergänzung der unbedingt gebotenen weiteren Erhöhung und Vermehrung der indirekten durch direkte oder wenigstens als solche wirkende Reichssteuern bezielte. Er hatte dadurch den Vorzug vor der wirklich 1909 erfolgten Steuerreform. Das wird man zugestehen müssen und können, auch wenn man einräumt, daß die schließlich erfolgte Steuerreform, weil sie einmal die zur Deckung der Reichsdefizite unter den gegebenen Umständen allein erreichbare Form war, angenommen werden mußte. Damit werden die inneren Mängel dieser Reform nicht geleugnet. Die Reform von 1913 war ein notwendiger Fortschritt, aber ist technisch zu mangelhaft ausgefallen. Es wird freilich auch anerkannt werden müssen, daß durch die einmal gegebene Verwickeltheit der staatsrechtlichen Verhältnisse, wie sie der Bundesstaatscharakter des Deutschen Reiches gegenüber der Einzelstaatsbildung mit sich bringt, die bekannten Schwierigkeiten von Steuerreformen fast unvermeidlich hervorgerufen werden.

Durch die Verbindung von Reichsbesteuerung und Einzelstaatsbesteuerung und damit durch die wesentlich in den Einzelstaaten bestehende direkte Besteuerung wird allerdings eine gewisse Kompensation der angedeuteten mißlichen Wirkungen der indirekten Reichsbesteuerung erreicht. Aber eben bei der doch vielfach verbliebenen Verschiedenheit der direkten Staatsbesteuerung und auch der Kommunalbesteuerung in den Einzelstaaten ist diese Kompensation doch immer nur eine ungenügende und namentlich auch eine ungleichmäßige. Immerhin ist in Preußen und einigen anderen Staaten die neueste Entwickelung der Steuerverfassung eine bessere als in einigen anderen Staaten, namentlich als bisher in Bayern. Jedenfalls kann aber nur eine angemessene, dann notwendig gleichmäßigere Ausbildung der direkten Einzelstaatsbesteuerung zu Personal-, insbesondere zu Einkommen-, Vermögen-, Erbschaftsbesteuerung eine einigermaßen richtige und gerechte Ausgleichung zwischen den Wirkungen der indirekten Reichsbesteuerung und der direkten Staatsbesteuerung herbeiführen.

Deshalb kann ein großer Teil der Bismarckschen Steuerpolitik in Preußen nur als ein Fehler erkannt werden. Mit der Wandlung, die in dieser Politik vor allem in der Nach-Bismarckschen Zeit in Preußen durch die Miquelsche Steuerreform und teilweise auch durch die Reformen in Preußen in der Nach-Miquelschen Zeit unter dessen Nachfolger im Finanzministerium herbeigeführt wurde, ist daher hier ein richtiger Weg betreten worden. Durch die Einkommensteuerreform ist eine Reihe der schwersten und unerträglichsten Mängel der früheren Klassen- und klassifizierten Einkommensteuer erfolgreich beseitigt. Durch die Hinzufügung einer Vermögenssteuer, wenn auch unter dem euphemistischen, politisch nicht ungeschickten, aber schon im Wortlaut einer tendenziösen Auslegung fähigen Namen: „Ergänzungssteuer“, ist der tiefe Mangel der früheren preußischen Personalbesteuerung beseitigt. Dem beweglichen Kapitalbesitz ist so seine rechtliche und faktische Steuerfreiheit gegenüber dem Grund- und Hausbesitz und dem Gewerbekapital teilweise entzogen worden, die ungerechte, gesetzwidrige, teilweise wirklich schmachvolle Steuererleichterung (erinnert sei nur an den Bochumer Steuerprozeß) des größeren Privateinkommens ist in erheblichem Maße beseitigt. Erst so wurde die preußische Personalsteuerfassung für die Finanzzwecke und für den Zweck gerechterer Steuerverteilung sowie

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 465. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/28&oldid=- (Version vom 21.8.2021)