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zutage gefördert haben. Diese schrumpfen im modernen Staat immer mehr zusammen, die Lebensbedingungen, unter denen die beiden Gattungen des Handels sich entfalten, werden die gleichen, die Wechselwirkung zwischen ihnen gewinnt dauernd an Innigkeit. Ein blühender Außenhandel geht regelmäßig mit einem blühenden Binnenhandel Hand in Hand; Störungen, die widrige Verhältnisse, insbesondere menschliche Unvernunft, dem einen bereiten, lassen den anderen nicht unberührt. Weder ist der Außenhandel vornehmer oder produktiver als der Binnenhandel, noch ist er weniger patriotisch als dieser. Alle solche Vorstellungen, denen man in den Kundgebungen verflossener Zeiten vielfach, aber auch heute noch hin und wieder begegnet, halten vor der Erfahrung nicht stand.

In einer Beziehung nimmt allerdings der Außenhandel eine bevorzugte Stellung ein, die scheinbar nur theoretische Bedeutung hat, in Wirklichkeit aber von praktischem Wert ist. Er ist statistisch zu erfassen, ein Umstand, der sowohl dem Privatmann nützliche Winke für Bezugs- und Absatzmöglichkeiten gibt als auch den Staatsmann bei wirtschaftspolitischen Vorschlägen vor der Gefahr irrtümlicher Voraussetzungen behütet. Man braucht nicht gläubig auf die amtliche Statistik zu schwören und wird doch ohne weiteres zugeben müssen, daß die Beurteilung der Verhältnisse des Außenhandels dank der Anschreibungen der Reichsstatistik unvergleichlich leichter und sicherer ist als die Beurteilung der Verhältnisse des Binnenhandels, die in jungfräulicher Reinheit noch des Statistikers harren. Es zeigt sich hier wieder einmal die merkwürdige Erscheinung, daß wir fast immer über Vorgänge, die in unserer Nähe sich abspielen, am mangelhaftesten unterrichtet sind, daß wir, wie jemand treffend bemerkt hat, beispielsweis über den Umlauf der Sterne, die in endlosen Weiten sich befinden, mehr wissen als über den Umlauf des Geldes, das wir in den Fingern fühlen. Der dem alltäglichen Tun und Treiben nahe Binnenhandel ist in dichteren Nebel gehüllt als der Außenhandel, mit dem doch die große Menge der Menschen weder persönliche noch örtliche Fühlung hat.

Den Umfang des Binnenhandels zu schätzen, ist deshalb eine Aufgabe, an deren Lösung man nur mit den erheblichsten Vorbehalten gehen kann. Zahlenmäßige Nachweise gibt es zwar über einen großen Teil des Binnenverkehrs, aber dieser ist nicht gleichbedeutend mit dem Binnenhandel, denn jener umfaßt auch Gütermengen, die ohne Vermittlung des Handels zum Umsatz gelangen.

Die beiden Hauptverkehrswege, die für den Handel Betracht kommen, sind Bahn und Fluß; ihr Übergewicht über die gewöhnliche Landstraße wächst, je mehr das Schienennetz sich ausdehnt, je leistungsfähiger die Ströme und Kanäle gestaltet werden. Man wird darum in den Zahlen des Warenverkehrs, der durch Bahn und Schiff besorgt wird, den geeigneten Anhalt für den Warenverkehr überhaupt finden dürfen. Die Statistik für das Jahr 1911 gibt folgenden Aufschluß:

Menge der beförderten Güter in Tonnen (zu 1000 kg):

auf deutschen
Bahnen
auf deutschen
Flüssen u. Kanälen
insgesamt
im Inlandsverkehr 367 000 000 44 000 000 411 000 000
im Verkehr von und nach dem Auslande       60 000 000 37 000 000 97 000 000
Summa       427 000 000 81 000 000 508 000 000
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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 715. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/278&oldid=- (Version vom 20.8.2021)