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Der Schutzzoll auf Vieh hat die mit ihm beabsichtigte Wirkung erzielt: die deutsche Viehzucht hat eine erfreuliche Aufwärtsentwicklung genommen, die Abhängigkeit vom Ausland ist direkt geringer geworden. Indirekt ist sie jedoch durch den enorm vermehrten Bezug von Futtermitteln ungewöhnlich gestiegen.

Es fragt sich nun freilich, welche Preissteigerung hiermit verbunden gewesen ist. In Berlin kostete pro Doppelzentner

1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912
Rindvieh, Schlachtgew. 121,4 129,0 131,5 137,5 147,7 146,6 139,0 131,6 145,0 153,7 166,2
Schweine, Schlachtgew. 122,8 103,7 102,0 132,0 137,0 114,0 120,1 138,0 131,9[1] 114,2 147,4
Kälber, Schlachtgew. 134,8 144,1 144,3 153,9 168,5 168,2 162,5 163,3 187,9 183,3 198,5
Hammel, Schlachtgew. 120,8 132,9 127,2 139,1 151,7 149,3 140,7 141,5 148,2 151,0 166,1

Diese Tabelle ist lehrreich genug; sie zeigt nämlich, daß die Fleischpreise wesentlich schneller gestiegen sind als die Getreidepreise. Der Schutz der deutschen Viehzucht hat der Gesamtbevölkerung erhebliche Opfer auferlegt, wobei freilich zu beachten ist, daß die Preise auch in andern Ländern gestiegen sind. Im übrigen darf freilich die Hoffnung bestehen, daß es der Landwirtschaft gelingen wird, ihren Schlachtvieh-Bestand zu steigern. Hierfür wird aber der Preis von Futtermitteln von Bedeutung sein, weshalb, wie schon bemerkt, die Forderung erhoben wird, daß bei der nächsten Revision des Zolltarifs die Futtermittelzölle aufgehoben oder doch erheblich reduziert werden. In Betracht kommen hier u. a.: Haferzoll (5 M.), Gerstezoll (1,30 M.), Mais (4 M.), Futterbohnen (2,50 M.). Die Zölle auf Brotgetreide wurden durch solche Maßnahmen zur Förderung der Viehzucht nicht berührt.

Viehzucht und bäuerliche Bevölkerung.

Eine durch Vieh- und Fleischzölle einerseits und durch freie Einfuhr von Futtermitteln anderseits begünstigte Viehzucht hat für das Problem, von dem wir ausgingen, große Bedeutung, denn die eigentliche Viehzucht (mit Ausnahme von Pferden) ist, wie schon bemerkt, in erster Linie Domäne des bäuerlichen Betriebes:

Größenklasse des landwirtschaftlichen Betriebes Viehhaltung 1907
ha Kühe Schweine
Tausende
0–2 1025 4383
2–5 2030 3107
5–20 3989 6334
20–100 2285 3655
über 100 1008 1386

Aus diesen Zahlen, die sich auf das deutsche Reich beziehen, geht deutlich hervor, daß der Schwerpunkt der Aufzucht von Kühen und Schweinen in den Betrieben bis zu 20 ha liegt, während der gesamte Großgrundbesitz (über 100 ha) eine irgendwie bedeutsame Rolle überhaupt nicht spielt. Auszunehmen sind die Pferde, an deren Aufzucht der Großbetrieb stark beteiligt ist. Über die Viehhaltung in Bayern haben wir nähere Angaben, die folgendes Bild zeigen:


  1. Veränderte Anschreibung, in Wirklichkeit höher
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 707. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/270&oldid=- (Version vom 20.8.2021)