Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 2.pdf/26

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Depositen ohne immer entsprechend große liquide Deckungen, ihre Konkurrenz im Depositengeschäft mit Genossenschaften und teilweise selbst mit Sparkassen und ihre ganze Stellung in Geldmarkt und Volkswirtschaft wohl Gedanken an gesetzliche Regulierung, wenigstens einiger Punkte ihres Geschäftsbetriebes, mehrfach näher gelegt haben. Aber abgesehen von der Erlangung von mehr Publizität in ihren Bilanzen ist noch nichts Bezügliches erreicht. Hier und auch im Genossenschafts- und vor allem im Sparkassenwesen werden wohl über kurz oder lang besonders für die Frage der Deckungen der großen, namentlich der stets und kurz fälligen Verbindlichkeiten, Aufgaben an die Gesetzgebung herantreten. Auch für den Börsenverkehr, die gesamte Emissionstätigkeit auf dem Gebiet des Aktienwesens und der öffentlichen und Gesellschaftsobligationen, damit dann auch für einzelne Punkte des Notenbankwesens und speziell der Verfassung der Reichsbank möchten sich solche Aufgaben zeigen. Da hat die letzte Geschichtsperiode seit 1888 mit der Gesetzgebung über das Hypothekenbankwesen und die Pfandbriefemission einen erfreulichen, notwendigen Fortschritt auch wieder von der Partikular- zur Reichsgesetzgebung gemacht. Aber auch die anderen Zweige des Bankwesens neben den Noten- und Hypothekenbanken bieten noch Probleme gesetzlicher Regelung einiger Punkte wohl sicher für die Zukunft. Auf dem verwandten Gebiete des Versicherungswesens ist eine reichsgesetzliche Regelung ebenfalls in wünschenswerter Weise gelungen. Das Kartellproblem steht jedoch noch ungelöst da. Einstweilen hört man nur selbst aus den regierenden Kreisen das einst verpönte Wort einzelner Theoretiker: wenn überhaupt „Monopole“, dann lieber Staats- als Privat- und Aktien-Gesellschafts-Monopole.

Steuerpolitik.

Das ist dann zugleich wieder eine Frage, die neben der Volkswirtschaft und Sozialpolitik auch die Finanzpolitik des Reichs und Preußens berührt. Über die Finanz- und besonders die Steuer- und Staatsschuldenpolitik des Reichs und Preußens seit 1888 sollen hier jetzt zur Ergänzung des schon im Vorausgehenden Berührten nur noch wenige Bemerkungen hinzugefügt werden.

Im Deutschen Reiche wurde mit Recht an der besonders seit 1879 durchgeführten Politik, den Schwerpunkt der Reichseinnahmen in die Einfuhrzölle, die inneren Verbrauchssteuern und Verkehrssteuern zu legen, festgehalten. Durch die steigende Ergiebigkeit der Agrarzölle und einiger der inneren Steuern ist das Finanzwesen des Reiches in erfolgreicher Weise gestärkt und seit wesentlicher Beseitigung des Überweisungssystems das Reich auch in dieser Hinsicht selbständiger geworden. Aber ausreichend ist das noch nicht erreicht. Die betreffs der Branntweinsteuer endlich wenigstens gelungene Unifikation für ganz Deutschland durch Ausdehnung der Gesetzgebung auf Süddeutschland ist bei der Biersteuer nicht erfolgt. Wenigstens aber hat die neueste Erhöhung der Biersteuer die anormale Niedrigkeit der Reichsbiersteuereinnahmen im Reichssteuergebiete beseitigt und Nord- und Süddeutschland in dieser Hinsicht mehr gleichgestellt. Durch Erhöhung der Branntwein- und Biersteuern ist der Ertrag im Reiche auch aus dem Mißverhältnis zum Ertrag in anderen vergleichbaren Staaten Europas mehr herausgetreten. Aber das dritte alkoholische Getränk, der Wein, ist trotz wiederholter Versuche, abgesehen vom Schaumwein, der Belegung mit einer inneren Reichssteuer nicht unterzogen worden.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 463. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/26&oldid=- (Version vom 20.8.2021)