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Erzeugnisse ausgestellt. Die Ähnlichkeit ist frappierend. Kenner finden allerdings Unterschiede heraus. Aber das kann nicht das Bestreben der keramischen Industrie sein, daß sie jetzt die antiken Sigillaten, die Urnen, Teller und Vasen sklavisch nachahmt. Für Gefäße dieser Art besitzen wir ein viel schöneres und geeigneteres Material in dem Porzellan und Steingut, die beide den Alten noch nicht zu Gebote standen. Dagegen haben sich andere Zweige der Fischerschen Arbeitsweise bemächtigt, nämlich die Platten- und Dachziegelfabrikation. Es ist wohl nicht bestritten, daß die glasierten Dachziegel unangenehm ins Auge fallen, ja blenden, wenn die Sonne auf sie fällt, und den Beschauer zwingen, seine Blicke, und sei es von einer noch so schönen Architektur, abzuwenden. Andrerseits verlangt der poröse Scherben der Dachziegel aus anderen Gründen Abdichtung durch einen Überzug. Dafür ist nun ein Überzug nach Art der Fischerschen Sigillatawaren außerordentlich geeignet. Denn der matte Sigillataglanz gibt ein erfreuliches mildes Bild. Auf die Farbe Rot sind diese Überzüge nicht beschränkt. Auch Grün, Blau, Braun können gewählt werden, die alle geläufige Farben der keramischen Palette sind. Die Dachziegel und Platten werden ebenso wie die anderen Waren engobiert und dann noch roh mit Lappen oder Watte poliert.

Segerkegel.

Von hoher Wichtigkeit für die keramische Industrie sind die sogenannten Segerkegel geworden, Pyroskope, nach denen man die Brenntemperatur im Ofen beobachtet. Sie führen ihren Namen von ihrem eigentlichen Autor, dem schon rühmend erwähnten Vorsteher der Versuchsanstalt bei der Königlichen Porzellanmanufaktur zu Berlin Professor Seger. Diese Kegel oder richtiger abgestumpften, dreiseitigen Pyramiden sind aus wechselnden Mengen Feldspat, kohlensaurem Kalk, Quarz und Kaolin hergestellt, und die Mischungsverhältnisse so gewählt, daß die niederschmelzenden Kegel selbst feine Temperaturunterschiede anzeigen. Man hatte sich früher zum gleichen Ziele niederschmelzender Metalle oder Legierungen bedient. Auch sie zeigen gewisse Grenzen an. Im keramischen Betriebe kommt es aber darauf an, auch die Zeit zu bestimmen, während welcher die Hitze anhält, und da hier durch das Anhalten einer niedrigeren Temperatur dasselbe erreicht wird, was eine kurz andauernde höhere Temperatur vermag, so lag das Bedürfnis vor, das Verhalten keramischer Waren im Brennofen an dem Verhalten keramischer Meßkörper zu studieren.

Die Segerkegel stellen eine feste Skala dar, nach denen man den Brand bestimmt. Weil sie dem Brenner genau anzeigen, wann er das Feuer zu dämpfen hat, schützen sie ihn vor zweierlei Fehlern: der Erzeugung von Schwachbrand und dem Überbrennen und Verschlacken der Waren.

Die Segerkegel sind weltberühmt geworden. Sie haben sich nicht nur in der Keramik, sondern auch in anderen Zweigen der Technik, wo hohe Temperaturen zu bestimmen sind, schnell eingeführt.

Hier ist anerkennend der Stätte zu gedenken, von welcher die Segerkegel ihren Ausgang genommen haben, der Versuchsstation bei der Königlichen Porzellanmanufaktur zu Berlin. Außer durch die bahnbrechenden Arbeiten, die sie auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Keramik geleistet hat, ist die Anstalt bekannt geworden

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 625. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/188&oldid=- (Version vom 1.10.2017)