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von Säuren und von Chlor, ferner große Wannen für elektrolytische und photographische Zwecke hergestellt.

Im deutschen Kannenbäckerlande im Westerwald blüht seit Jahren die Geschirrfabrikation aus Steinzeug. Ihr ist jetzt durch Künstler, namentlich durch den bekannten Professor Riemerschmied eine neue Richtung gegeben. Die Formgebung und die äußere Ausstattung sind erheblich verbessert worden. Von der teuren Beheizung der Brennöfen mit Holz fängt man an abzugehen. Ein kühner Griff hat gezeigt, daß man auch mit Steinkohlen feuern kann. Die Befürchtungen, daß Aschenteilchen sich auf der Oberfläche der Krüge und Kannen niederschlagen könnten, haben sich allerdings bewahrheitet, aber nicht zum Schaden der Waren. Denn die kleinen braunen Flecken, die sich hier und dort ansetzen und von der Glasur aufgenommen werden, verleihen entgegen den gehegten Befürchtungen den Körpern einen gewissen Reiz. Der Übergang zur Steinkohlenfeuerung ist geeignet, viele kleine Existenzen zu erhalten. Denn die Kannenbäckerei im Westerwald wird noch viel in der Hausindustrie betrieben.

Kadiner Majolika.

Der Anregung des königlichen Besitzers von Kadinen ist die Errichtung der dortigen Majolikawerkstätte zu verdanken. Auf dem Gebiete der Kunst hat der Osten Deutschlands einmal eine Rolle gespielt. Die alten Danziger Möbel, die gewaltigen Schränke und Tische und die alte Danziger Architektur sind noch heute berühmt. Den Sinn für die Kunst neu zu beleben, sollte Aufgabe der Kadiner Werkstatt sein. Insbesondere sollten die Erzeugnisse Vorbilder sein für die Töpfer Tolkemits, der nächsten Stadt am Frischen Haff, die schon seit Jahrhunderten Töpferwaren herstellen. Die Kadiner Tonwaren haben einen schönen roten Ton. Sie werden teils ohne Glasur und Bemalung, teils glasiert und farbenreich bemalt in den Handel gebracht. Nach Entwürfen tüchtiger Künstler, wie Carl Begas, Manzel, von Üchtritz, Götz, Splieth u. a. sind herrliche Gefäße und Reliefs geschaffen worden.

Terra-Sigillata-Waren.

Dem Geheimniß der Terra-Sigillata-Waren der Alten ist man näher gekommen. Zwar müssen die Versuche, Tonwaren durch den Zusatz chemischer Stoffe zum Begußton den eigentümlichen matten Glanz zu verleihen, der die Sigillatawaren auszeichnet, als gescheitert angesehen werden. Indessen gelang es den Kunsttöpfern Fischer (Vater und Sohn) in Sulzbach in der Oberpfalz, schöne Nachahmungen durch Benutzung des Polierverfahrens an der rohen Ware zu erzielen. Wenn man einen rohen, noch feuchten Tonscherben durch Überstreichen mit Lappen oder Watte poliert, so erlangt er einen gewissen Glanz, den er auch nach dem Brennen behält. Die beiden Fischer haben den Scherben nicht selbst poliert, sondern ihn zuvor mit einem roten Überzug von Begußton (Engobe) versehen und dann poliert. Sie stellten also den Formling auf der Töpferscheibe her, begossen den Formkörper mit der Engobe und polierten die Oberfläche zunächst mit einer weichen Bürste, dann mit Watte. Die gebrannten Waren zeigen einen schönen matten Glanz. Im Altertumsmuseum von Regensburg sind alte, in der Umgebung von Regensburg gefundene, echte Sigillaten und neben ihnen die Fischerschen

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 624. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/187&oldid=- (Version vom 1.10.2017)