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Tonwarenindustrie.

Deutschlands Tonwarenindustrie macht einen erheblichen Teil der gesamten Industrie Deutschlands aus. Wertvolle Rohmaterialien werden im Lande gefunden. Seitdem sie gründlich untersucht sind, ist ihre vielseitige Verwendung in die Wege geleitet. Um die Schaffung einer wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Basis der Tonverarbeitung haben sich zwei deutsche Forscher Seger und Bischof große Verdienste erworben. Ihr Ruhm reicht weit über Deutschlands Grenzen hinaus. Während die Arbeiten Bischofs mehr den feuerfesten Tonen galten und namentlich für die Hüttenindustrie von großem Wert wurden, waren Segers Studien insbesondere dem Porzellan gewidmet. Als Vorsteher der Versuchsanstalt bei der Königlichen Porzellanmanufaktur zu Berlin hat Seger die Errungenschaften dieser Anstalt bedeutend vermehrt.

Berliner Porzellan.

Die Erzeugnisse der Berliner Porzellanmanufaktur stehen auf einer so hohen Stufe technischer und künstlerischer Entwicklung, daß zu ihrem Ruhme nichts mehr gesungen zu werden braucht. Das Berliner Porzellan gehört zu der Gruppe der sogenannten Hartporzellane. Aus der Untersuchung japanischer Porzellane kam Seger auf den Gedanken, auch dieses weiche Porzellan nachzubilden, und zwar dadurch, daß er in den Scherben Ton einführte. Die Masse wurde dadurch bildsamer als die nur mit Kaolin angemachten Massen. Dieses Segerporzellan läßt sich reichhaltig verzieren. Namentlich verträgt es die Aufbringung farbiger Glasuren von hoher Schönheit. Besonders berühmt geworden sind rote und geflammte Kupferoxydulglasuren, bekannt unter dem Namen Chinesisches Rot. Denn als Vorbild haben chinesische Rotglasuren gedient, die von Seger eifrig geprüft worden waren. Das eigentliche Kirschrot der Glasur variiert bis zum Dunkelrot und spielt oft ins Blaue, Grüne und Violette über, so schön, daß die chinesischen Glasuren, die als Muster gedient haben, weit übertroffen werden.

Einen weiteren Fortschritt, der Seger zu verdanken ist, stellt die Ausbildung der Malerei zwischen zwei Glasurschichten dar. Das im Porzellanofen glasierte Geschirr wird nach der Bemalung mit passenden Farben mit einer zweiten Glasur von niedrigerem Schmelzpunkt überzogen und in der Muffel fertiggebrannt. Man hat es also mit einer Art Unterglasurmalerei zu tun. Ein Unterschied gegenüber der eigentlichen Unterglasurmalerei besteht allerdings darin, daß bei dieser die Malerei auf den Scherben aufgebracht, und dieser mit der eigentlichen Porzellanglasur überzogen wird. Freilich ist bei der letzteren Art die Farbenpalette nicht sehr groß, dagegen bei der Zwischenglasurmalerei reich und schön. Besonders wirkungsvoll fallen Unterglasur- und Zwischenglasurarbeiten aus, wenn die bildlichen Darstellungen, die nachher mit Farben besprüht werden, durch Kratzarbeit in dem versprühten Scherben hergestellt sind. Der artistische Direktor der Königlichen Porzellanmanufaktur Professor Schmuz-Baudiß hat diesen Kunstzweig mit Erfolg gepflegt.

Von großer Vollkommenheit sind auch die Gefäße mit Kristallglasuren der Königlichen Porzellanmanufaktur. Die spiegelglatten Glasuren enthalten Kristalle, die metallischen

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 622. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/185&oldid=- (Version vom 1.10.2017)