Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 2.pdf/183

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

es mit sich, daß die Arbeiterzahl gewaltig verringert werden kann. Es werden also nützliche Kräfte für andere Arbeiten im Lande frei. Den modernen Drehöfen gibt man einen Durchmesser von 2 bis über 3 m und eine Länge bis zu 70 m und mehr.

Von dem verdienten Zementforscher Dr. Michaelis ist gefunden worden, daß Zemente, in denen die Tonerde im wesentlichen durch Eisenoxyd vertreten ist, den Einwirkungen des Meerwassers bei weitem besser widersteht als gewöhnlicher Portlandzement. Für unsere Hafenbauten und Küstenbefestigungen ist diese Entdeckung von ungeheurer Tragweite. Bei der Fabrikation im großen mischt man fein gemahlenen Kalkstein, namentlich kieselsäurereichen Kalkmergel innig mit fein gemahlenen Eisenerzen, wie Braun- und Roteisenstein, Raseneisenerz oder Spateisenstein und brennt das Gemenge.

Die deutsche Zementindustrie hat einen ungeheuren Aufschwung genommen. Das Portlandzementwerk Heidelberg ist das größte der Welt. Die Verbilligung der Zementpreise hat den Zementfabriken nicht zum Schaden gereicht. Sie haben verstanden, den Verlust am Preise durch Verbesserung der Fabrikation wettzumachen und sich auf den Massenbetrieb einzurichten. Denn der Verbrauch an Zement ist ungeheuer gestiegen. Zement aus deutscher Erde schützt unsere Küsten und die Insel Helgoland vor dem Nagen der Meeresfluten. Den eben erst geschaffenen mächtigen Talsperren, die unzähligen Verbrauchern im deutschen Vaterlande Kraft und Licht spenden und das Land vor Überflutungen schützen, verleiht er Halt und Stärke. In Monierbauten treten Eisengerüste, die als Einlagen dienen, und Zementmörtel, der sie umhüllt, zu nützlicher Gemeinschaft zusammen. Naturgesteine werden ersetzt durch Körper aus Zementmörtel. Durch Zumischung von Marmorkörnern oder Kieseln zu Zement hat man es in der Hand, mehr marmor- oder sandsteinartige Massen zu erhalten. Da die Massen bildsam sind, kann man ihnen in Formen leicht Gestalt verleihen. So stellt man Säulen, Kapitäle und Figuren für den Schmuck von Bauten her. Damit diese Gebilde das Aussehen von Naturgesteinen gewinnen, bearbeitet man sie nachträglich an der Oberfläche mit den Werkzeugen des Bildhauers. In den großen Brauereien werden jetzt die Gär- und Kühlgefäße aus Zement mit Eiseneinlagen hergestellt. Die Eiseneinlagen dienen zugleich zum Befestigen von Rohrschlangen, die in den Wänden der Gefäße liegen und dazu bestimmt sind, Kühlflüssigkeiten aufzunehmen. Die Rohrschlangen erhöhen die Widerstandsfähigkeit der Gefäße gegen die Beanspruchungen durch Druck und Zug.

Von großem wirtschaftlichen Wert ist die Einführung fein gemahlener Hochofenschlacke als Zuschlag zum Portlandzement geworden. Die Hochöfen liefern dem Gewichte nach im Durchschnitt ungefähr dasselbe Quantum Schlacke wie Roheisen. Da sich nun die spezifischen Gewichte beider wie 3 zu 1 verhalten, ergibt sich, daß das Volumen der Schlacke ungefähr das Dreifache des Volumens des Eisens beträgt. Aus diesen Angaben läßt sich schließen, welche bedeutenden Mengen Schlacke die sehr entwickelte Hochofenindustrie Deutschlands täglich darstellt. Von diesem Nebenprodukt wanderte früher der größte Teil auf die Halde und blieb ungenutzt. Jetzt wird ein Teil der fallenden Schlacke als Bergeversatz in den ausgeraubten Strecken von Kohlengruben gebraucht. Die beim Abbau der Kohlengruben entstehenden Hohlräume müssen nämlich wieder ausgefüllt werden, wenn man erreichen will, daß sich die Erdoberfläche nicht senkt. Dazu

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 620. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/183&oldid=- (Version vom 17.8.2017)