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Gruben unter reicher Wasserzufuhr völlig ablöscht und zum Nachlöschen eine Zeitlang stehen läßt. Denn trocken gelöschter Kalk behält leicht ungelöschte, späterhin sehr störend wirkende Partikelchen. Als magernder Füllstoff werden dem Mörtel körnige Mineraltrümmer zugesetzt, auch Glimmer, damit die hier und da blinkenden Glimmerblättchen dem Auge ein erfreuliches Bild geben. Alsdann wird noch Farbe zugeschlagen. Die Farben dürfen nur mineralischer Natur sein und durch Ätzkalk nicht in störendem Maße angegriffen werden. Im Handel erscheinen die Mörtel fertig gemischt als sogenannte Trockenmörtel, die ohne weiteres verwendbar sind, wenn man sie mit Wasser anrührt. Der Kalk in dem Trockenmörtel ist aus eingesumpftem Kalk dadurch gewonnen, daß man diesen nach längerem Lagern durch Wärmezufuhr getrocknet und feingemahlen hat.

Man kann sagen, daß der Gebrauch dieser Mörtel die Rückkehr zu einfachen, edlen, schönen Formen der Architektur ermöglicht hat. Dadurch, daß man den an und für sich schon körnigen Putz scharriert oder stockt oder irgendwie bearbeitet, schafft man angenehme Linien, an denen das Auge lieber haftet als an glatten Flächen. Die Stuckverzierungen an der Fassade können jetzt fortfallen. Die Fassade wird einfach gehalten. Nur einzelne schöne Erker und Balkone springen hervor. Wird dazu noch das Dach etwas gegliedert, dann erhält man wunderbare, mächtig wirkende Architekturbilder. Wer die neue Baukunst in Deutschlands Hauptstadt bewundern will, hat reichlich Gelegenheit. Sie sticht vorteilhaft ab von den mit Stuck beladenen alten Fassaden, die unter dem gebräuchlichen faden Ölanstrich unnatürlich wirken, und bei denen noch der weit größere Fehler besteht, daß sie verwirren, weil der Stil der Zieraten von Stockwerk zu Stockwerk unvermittelt variiert.

Das Ziel, große Flächen nicht durch Handarbeit, sondern unter Heranziehung billigerer Maschinenkraft mit Mörtel zu bewerfen, ist dadurch verwirklicht worden, daß man die Preßluft in den Dienst der Putzarbeit stellte. Eine solche Maschinenanlage wird fahrbar eingerichtet. Sie besteht aus einer Mörtelmischmaschine, die den Mörtel herrichtet, einer Mörtelpumpe, der Preßluftanlage und dem Betriebsmotor. Die Pumpe fördert den Mörtel in einen Schlauch, an dessen Ende eine Düse sitzt. Ein Arbeiter führt die Düse. Er schreitet langsam vorwärts und läßt den Mörtelstrahl gegen die Wand spritzen. Die dem Schlauch zugeleitete Preßluft bläst den Mörtelbrei mit einem Druck von 1,5 Atmosphären heraus und führt ihn als Schlammregen an die Wand. Der angespritzte Bewurf wird von den Putzern in Arbeit genommen. Die Pumpe fördert stündlich 2–3 cbm Mörtel. Eine Düse liefert in derselben Zeit durchschnittlich 100 qm Wandputz. Also auch hier wird eine ins Großzügige reichende Arbeit geleistet.

Erhaltung wertvoller Denkmäler.

In dieses Gebiet fallen auch die Arbeiten zur Erhaltung wertvoller Steindenkmäler in Deutschland. Die vier schönen Schillingschen Sandsteinfiguren (Morgen, Mittag, Abend, Nacht) der Brühlschen Terrasse zu Dresden sind jetzt von der Terrasse entfernt und durch Bronzeabgüsse ersetzt. Die Originalwerke sind an die Stadt Chemnitz abgegeben, und diese hat es übernommen, die Figuren, welche trotz der im Jahre 1881 aufgebrachten Vergoldung weitere Spuren des Verfalls zeigten, von dem Goldüberzuge

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 618. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/181&oldid=- (Version vom 17.8.2017)