Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 2.pdf/180

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

des künstlichen Marmors hat in Deutschland einen großen Aufschwung genommen. Solcher Marmor läßt sich ebensogut zur Bekleidung von Wänden und Decken und zum Bau von Säulen und Kapitälen verwenden wie der natürliche. Er hat vor ihm den Vorzug voraus, daß er durch Formen leicht in beliebige Gestalt gebracht und beliebig gefärbt und geadert werden kann, während der natürliche Marmor schwieriger bearbeitbar ist und in der Farbe so hingenommen werden muß, wie ihn die Mutter Erde liefert, wobei man Gefahr läuft, daß sich gerade an der Schauseite, die man ja erst herausarbeiten muß, eine ungünstige Farbenzusammenstellung findet. Die Grundmasse der künstlichen Marmorarten sind Mineraltrümmer, Farben und ein mineralisches Bindemittel. Schon die Alten verstanden aus Gips und Farben herrlichen Kunstmarmor herzustellen. Diese Kunst ist in Deutschland durch Italiener eingeführt worden, und jetzt stehen die Schüler ihren Meistern in der Ausübung der Kunst mindestens gleichwertig zur Seite. Die Kunstmarmorkörper fallen härter und schöner aus, wenn man sie aus sogenanntem Marmorzement, d. i. aus Alaungips (alaunisiertem Gips) erzeugt. Eine andere, sehr feste, harte und schöne weiße Masse erhält man durch Vereinigung von Magnesia und Chlormagnesium. Bei Frankenstein in Schlesien findet sich in reichen Mengen ein weißes Mineral, der Magnesit, die Verbindung von Kohlensäure und Magnesia. Beim Brennen gibt der Magnesit die Kohlensäure ab und wird zu Magnesia, die nun fein gepulvert mit Chlormagnesium, einem Salz, das bei der Staßfurter Kalisalzbereitung massenhaft abfällt, zusammengerührt wird. Das Gemenge führt den Namen Magnesiazement oder nach seinem Entdecker Sorelzement. Es besitzt eine hohe Bindekraft und vermag daher andere Mineraltrümmer und Farbzusätze aufzunehmen und miteinander zu verkitten.

Wenn die mit Farben versetzten Kunstmarmormassen aufgetragen sind, gelingt es, sie in einfachster Weise dadurch zu masern und zu adern, daß man mit Kämmen oder lockeren Pinseln durch sie durchfährt und dort, wo es nötig erscheint, neue, vielleicht anders gefärbte Masse nachträgt. Soll die Aderung recht zart werden, dann reißt man angefeuchtete und gut durchgeknetete Masse in Stücken, taucht sie in gefärbte Masse und preßt die Stücke zu einem großen Klumpen aufeinander. Wird der Klumpen zu Platten zerschnitten, dann zeigen die Schnittflächen die feinste Aderung.

Alle Kunstmarmormassen erlangen durch Polieren Spiegelglanz. Mit Kunstmarmor sind nicht nur zahlreiche Häuser und Paläste Berlins im Inneren geschmückt, sondern auch z. B. das Kaiser-Friedrich-Museum. Sie alle zeigen, wie weit diese schöne Kunst in Deutschland gediehen ist.

Edelputz.

Die Bereitung von Mörteln für Bauzwecke ist alt. Aber in den letzten Jahren hat man in der Architektur unter dem Namen Edelputz Mörtelgemische für den Ausputz der Fassaden vornehmer Häuser eingeführt, die sich nach Farbe und Korn vorteilhaft von den alten Putzmaterialien unterscheiden. Zunächst war es notwendig, aus diesen Mörteln den Zement völlig auszuscheiden, weil er nach dem Annetzen zu mißfarbigen Ausblühungen neigt. Es durfte nur reiner, völlig abgelöschter Kalk gebraucht werden. Auf die sicherste Weise ist solcher Kalk dadurch zu gewinnen, daß man ihn in

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 617. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/180&oldid=- (Version vom 17.8.2017)