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gemacht wurde, wurde die Musterung freier und eine vollständige Imitation der handgeklöppelten Spitze erreicht.

Bobbinetfabrikation.

Der rastlosen Tätigkeit sächsischer Firmen ist die Einführung der Bobbinetfabrikation in Deutschland zu verdanken. Nach vielen langwierigen und kostspieligen Versuchen ist nicht allein die Fabrikation der glatten und später der gemusterten Tülle, sondern auch der Gardinen und Spitzen gelungen. In letzterer Beziehung sind wir zwar noch von dem Ursprungslande dieser Fabrikation England abhängig, aber deutsche Konstrukteure sind unablässig daran tätig, diese Industrie auf eigene Füße zu stellen.

Stickerei.

Auch auf dem Gebiete der mechanischen Stickerei sind große Fortschritte zu verzeichnen. Es sei hingewiesen auf die Einfädelmaschine für die Heilmannsche Stickmaschine, auf die automatische Schiffchenstickmaschine, auf die Verbesserungen des Ätzverfahrens bei der Erzeugung der Spachtel- und Luftspitzen usw., auf die Verwendung des Panthographen an der in eine Stickmaschine verwandelten Nähmaschine zur Herstellung von Buchstaben, Monogrammen und Namen, und auf die Kurbelstickmaschine, die sich für das Besticken von Kleidungsstücken, Möbel- und Vorhangsstoffen usw. sehr eingebürgert hat. Auf allen diesen Gebieten sind deutsche Erfinder erfolgreich tätig gewesen.

Zukunft der deutschen Textilindustrie.

Zum Schlusse seien noch einige kurze Betrachtungen der Zukunft der deutschen Textilindustrie gewidmet. Die Ausfuhr auf diesem Gebiete betrug im Jahre 1910 1250 Millionen, die Einfuhr 1840 Millionen. Wir zahlen also an das Ausland 590 Millionen mehr, als wir von ihm einnehmen. Diese Zahl braucht nicht Schrecken zu erregen, denn die Textilindustrie ruft viele Gegenwerte hervor, die dem Inlande zugute kommen und den Verlust reichlich einbringen. Immerhin muß man bestrebt sein, die Differenz zu verringern oder sogar zu beseitigen. Ob und inwieweit dies durch Steigerung der Ausfuhr möglich sein wird, ist nicht vorauszusagen. Es ist schon früher auf die ungünstigen geographischen Verhältnisse Deutschlands gegenüber seinen bevorzugten Konkurrenten England und Amerika hingewiesen worden. Es fragt sich, ob es den Fabrikanten und Kaufleuten trotz der Zollschranken, die sich überall erheben, gelingt, durch Lieferung besserer Qualitäten und durch billigere Preise mehr Boden zu gewinnen. Wohl aber ist es nicht ausgeschlossen, die Einfuhr zu verringern. Sie betrug im Jahre 1910 für Rohmaterial 1436 Millionen, für Garne 254 Millionen und für Stoffe 150 Millionen. Zunächst müssen alle Kräfte daran gesetzt werden, die Summe zu verkleinern, die durch den Bezug im Inlande nicht erzeugter, aber verbrauchter Stoffe und Garne verloren geht. Maschinenbauer und Fabrikant müssen Hand in Hand arbeiten, um Maschinen und Arbeitsverfahren so zu vervollkommnen, daß alle Qualitäten, auch die feinsten, im Inlande hergestellt werden können. Auffälig ist, daß die Fabrikation der Florettseide in Deutschland noch nicht in größerem Umfange aufgenommen worden ist, trotzdem

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 610. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/173&oldid=- (Version vom 21.3.2017)