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Bandweberei, die sich als Hausweberei noch im großen Umfange erhalten hat. Der Grund hierfür ist hauptsächlich darin zu suchen, daß der Bandstuhl ohne erhebliche Umänderungen für mechanischen Antrieb geeignet gemacht werden kann, und die elektrische Kraft bequem und billig in kleinen Mengen zu haben ist. Mit welchem Erfolge die mechanischen Seidenwebstühle die heute hauptsächlich von den Firmen Felix Donnar in Dülken und Hermann Schroers in Crefeld bezogen werden, verbessert worden sind, ergibt sich daraus, daß sie heute mit 160–220 Schüssen in der Minute arbeiten, während es vor 10–15 Jahren nur 90–110 waren. Außerdem webt man auf einem Stuhl 2–3 Waren nebeneinander, so daß ein Weber, der bei Stapelwaren 2 Stühle bedient, gleichzeitig 4–6 Waren herstellt. In der Samtweberei geht die Massenerzeugung sogar noch weiter. Es werden nicht allein 3–5 Waren nebeneinander, sondern 2 Warenläufe übereinander, also 6–10 Warenbahnen gleichzeitig gewebt. Die Herstellung von 2 Warenläufen übereinander ist dadurch erreicht, daß die Grundgewebe getrennt übereinandergewebt und durch den Flor verbunden werden, der in der Mitte zerschnitten wird. Die Riesenleistung eines solchen Doppelsamtstuhls ist neuerdings noch dadurch vermehrt worden, daß zwei Schützen übereinanderlaufen, während bisher beide Warenläufe nur mit einem Schützen verarbeitet wurden. Sehr zu Nutzen kamen der Seidenweberei die Erfolge, die mit der Einführung des elektrischen Einzelantriebs erzielt wurden. Denn dieser Antrieb bietet hier besondere Vorteile. Nachdem die Versuche in den Jahren 1893 und 1894 mit Gleichstrommotoren gescheitert waren, sind sie später mit Drehstrommotoren und Kurzschlußanker von Erfolg gewesen, namentlich als man die Kraftübertragung vom Motor auf den Stuhl den eigenartigen Betriebsverhältnissen anpaßte.

Wirkerei und Strickerei.

Bei der Wirkerei und Strickerei gingen die Bestrebungen dahin, den mechanischen Betrieb in größerem Umfange einzuführen und die Maschinen- und Arbeitsmethoden so zu vervollkommnen, daß die Gebrauchsgegenstände möglichst ohne Nähte von der Maschine kommen. In dieser Beziehung ist geradezu Hervorragendes von sächsischen und süddeutschen Firmen, namentlich in der Strumpffabrikation, geleistet worden. Die Rundstrickmaschinen arbeiten heute den fertigen Strumpf vom Rand bis zur Spitze ohne Naht und unter Berücksichtigung aller Forderungen an Änderung der Strickart und Form. Zur vielseitigeren Musterung wurde die Links- und Linksmaschine erfunden und die Jacquardmaschine auf Wirk- und Strickmaschinen übertragen.

Flechterei.

Die Entwickelung der modernen Flechterei ist fast ausschließlich deutschen Erfindern zu danken. Das Wuppertal ist der hauptsächlichste Sitz dieser Industrie, und dort sind alle bahnbrechenden Erfindungen für sie entstanden. In die 80er Jahre fällt die allgemeine Einführung der 4-, 3- und 2fädigen Maschinen, die schließlich ihre Krönung in der 1fädigen Maschine fanden. Dank der Verwendung der Jacquardmaschine, die nicht allein für die Steuerung der Klöppel, sondern auch zur Betätigung aller übrigen Elemente der Maschine nach und nach nutzbar

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 609. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/172&oldid=- (Version vom 5.3.2017)