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politisch-volkswirtschaftliches Gebilde und ein integrierender Wesensbestandteil des neuen Reichs geworden. Erst auf diesen Fundamenten konnte die deutsche Volkswirtschaft ordentlich auf- und ausgebaut werden, und das ist in dieser Zeit seit 1888 im ganzen befriedigend und erfreulich gelungen. Nicht minder ist der in der ersten Reichsperiode begründete gewaltige Bau der Sozialpolitik, diese namentlich im Sinn der sichernden und fördernden Arbeiterpolitik, bedeutsam ausgedehnt und verstärkt worden. Für die Finanzen von Reich und Staat war zwar auch in der Zeit Wilhelms I. und Bismarcks teilweise ein neues Fundament gelegt worden, aber den Bedürfnissen eines großen modernen Staatswesens, eines solchen, welches für die notwendigen Aufgaben der Volkswirtschaft und für ihre unvermeidliche starke Eingliederung in die Weltwirtschaft, für die notwendigen Bedingungen einer modernen Technik in Produktion und Verkehr das von Staatswegen Erforderliche leisten soll, entsprach das noch nicht. Hier war ein großer und umfassender Weiterbau erst noch zu bewerkstelligen.

Volkswirtschaftliche Bedeutung der weiteren Stärkung der Wehrmacht.

Um aber nicht nur den ganzen Neubau des Deutschen Reichs nach außen und innen zu sichern, sondern um gerade auch für die deutsche Volkswirtschaft und ihre notwendig bedeutsamer werdende Stellung in der Weltwirtschaft die Entwicklung zu garantieren, war auch die Wehrmacht zu Lande und zu Wasser im Zeitalter neuer und erweiterter Kolonialgründungen und des weltwirtschaftlichen Verkehrs mächtigeren und schon früher wirtschaftlich entwickelten, neidischen Rivalen gegenüber im Einklang mit der neuesten Entwicklung der Technik, wenn auch unvermeidlich mit größeren Opfern, auszugestalten. Das ist geschehen. Vor allem auch ist das von altersher seeunmächtige Deutschland zum erstenmal in seiner Geschichte zu einer starken Seemacht neben den anderen Staaten gemacht worden. Die Schaffung dieser Seemacht, und schließlich auch die Verstärkung der Landmacht ist gerade im letzten Menschenalter in erfreulicher Weise zu stande gekommen. Hierdurch ist das Schwerste, aber auch das Notwendigste und Segensreichste in der Gesamtpolitik und speziell in der Wirtschaftspolitik gelungen, zwar unter starker Opposition von manchen Seiten, aber es war eine Maßregel, die der wichtigsten Staatsaufgabe entspricht. Ihre Erfüllung erscheint nicht nur jedem ernsten Politiker als das Wichtigste, sondern folgt auch aus den Grundsätzen des größten freiwirtschaftlichen Nationalökonomen, keines Geringeren als eines Adam Smith, daß nämlich die Schaffung von Sicherheit für Staat, Volk und Volkswirtschaft wichtiger ist als bloße Wohlstandssteigerung, ohne genügende Garantie für ihre Dauer und Weiterentwicklung; das läßt alle Maßregeln zur Erreichung jenes Ziels, auch wenn sie mit großen Opfern verbunden sind, gerechtfertigt erscheinen. Gerade diese Schaffung genügender Sicherheit für das neue Deutsche Reich, für seine in so großartigem Aufschwung befindliche Volkswirtschaft und für deren absolut und relativ steigenden Anteil am weltwirtschaftlichen Verkehr ist wohl diejenige Tat im jüngsten Zeitalter, welche diesem seinen dauernden Charakter in der Geschichte verleiht. Während alles Andere, was in Wirtschafts- und Sozialpolitik und teilweise auch in der Finanzpolitik in diesem jüngsten Zeitalter geschehen ist, doch mehr nur einen erfreulichen Ausbau auf den durch die Jahre 1834, 1866, 1870 und speziell

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 452. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/15&oldid=- (Version vom 13.12.2020)