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Solche Erfolge konnten nur aufblühen in den langen Jahren des Friedens, welcher uns beschieden war unter dem Schutz und der Fürsorge, deren Handel und Gewerbe, Kunst und Wissenschaft sich zu erfreuen hatten.

Die rasche Verbreitung neuer wissenschaftlicher Errungenschaften durch Literatur und namentlich auch durch Patentliteratur wurde ein großes Hilfsmittel unserer Zeit.

Deutschland jetzt in Konkurrenz mit älteren Industrieländern.

So ist es denn auch gekommen, daß Deutschland, welches früher Erzeugnisse der chemischen Industrie meistens von auswärts zu beziehen genötigt war, nunmehr auch in lebhafte Konkurrenz mit den älteren Industrieländern England und Frankreich getreten ist und diese in mancher Beziehung längst überflügelt hat.

Dieses ergibt sich aus folgender Zusammenstellung: Deutschland führte im Jahre 1888 zirka 860 000 Tonnen chemische Rohstoffe im Werte von 143 Mill. Mark ein und 304 000 Tonnen Rohstoffe im Werte von 28 Mill. Mark aus. In demselben Jahre wurden 195 000 Tonnen fertige chemische Fabrikate im Werte von 100 Mill. Mark eingeführt und 409 000 Tonnen Fabrikate im Werte von 208 Mill. Mark ausgeführt.

Im Jahre 1912 betrug die Einfuhr an chemischen Produkten 1,93 Mill. Tonnen im Werte von 417 Mill. Mark, die Ausfuhr 4,16 Mill. Tonnen im Werte von 825 Mill. Mark.

Anorganische chemische Großindustrie.

Von den einzelnen Zweigen der chemischen Industrie tritt zunächst die anorganische chemische Großindustrie in den Vordergrund, welche den Namen davon hat, daß sie durch den Umfang und die Größe ihrer Hauptbetriebe, in welcher vorzugsweise anorganische Säuren, Alkalien und Salze gewonnen werden, besonders imponiert.

Die Schwefelsäure.

Hiervon ist es in erster Linie die Schwefelsäure, auf deren Fabrikation die ganze chemische Industrie sich aufbaut, und welche eine ebenso wichtige Rolle darin spielt wie der Koks in der Metallurgie oder der Kalk im Baugewerbe.

Jedenfalls ist sie auch dasjenige chemische Präparat, welches im größten Maßstabe fabriziert wird, denn man schätzt die heutige jährliche Weltproduktion auf 5 Mill. Tonnen, also auf 5000 Mill. Kilo. Davon ist Nordamerika mit 1,5 Mill. Tonnen, Deutschland mit 1,3 Mill., England mit 1 Mill., Frankreich mit ½ Mill. Tonnen beteiligt. Österreich und Italien fabrizieren je 200 000 Tonnen, Belgien 165 000 Tonnen, Rußland 125 000 Tonnen und Japan 50 000 Tonnen.

Die Hauptmenge dieser gewaltigen Produktion wird in der Fabrikation von künstlichen Düngern verbraucht und kommt der Landwirtschaft zugut. In Deutschland dienen allein für diesen Zweck 800 000 Tonnen, wovon 600 000 Tonnen für die Herstellung von Superphosphaten und 200 000 Tonnen zur Gewinnung von schwefelsaurem

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 581. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/144&oldid=- (Version vom 31.7.2018)