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denjenigen, welche vor 25 Jahren errichtet wurden. Das früher übliche Gewirr von Riemen, Transmissionen usw. ist verschwunden und die Werkstätten sind heute übersichtlich, luftig, hell und freundlich geworden. Das ist wesentlich dem Einfluß der elektrischen Kraftverteilung zuzuschreiben. Dieser geht weit über die Grenzen der Industrie hinaus. Er macht sich, wie schon vorstehend gezeigt ist, auch im Gewerbe, im Handel und in der Landwirtschaft bemerkbar.

Dieser Einfluß auf die deutsche Technik hat noch wesentlich weitergehende Folgen gehabt als allein diejenigen der wirtschaftlichen Ersparnisse durch zweckmäßigere Gestaltung des Betriebes. Die Einführung des elektrischen Betriebes und auch der elektrischen Beleuchtung hat zu einer wesentlichen Erhöhung der Betriebssicherheit geführt. Dies ist in der Broschüre von Dr. F. Kerner „Unfallsicherheit und Betriebsökonomie im Kraftmaschinenbetrieb“, Seite 39, wie folgt gekennzeichnet:

„Die Elektrizität hat sich seit ihrem Eintritt in die Reihe der Betriebskräfte als erfolgreiche Gefahrenbezwingerin erwiesen. Wellenstränge und Kraftübertragungsriemen konnten zum Teil vermieden, Antriebsmaschinen mit hin- und hergehendem Kolben durch solche mit in geschlossenen Gehäusen rotierenden Teilen ersetzt werden und vieles andere mehr. Überhaupt erwies sich die Möglichkeit der Konzentrierung der Krafterzeugung auf eine einzige oder wenige Stellen und die damit verbundene erleichterte Beherrschung der Gefahr als segensreich. Wurden so die „mechanischen“ Gefahren verringert, so hat die Elektrizität gleichzeitig ganz neuartige Unfallsmöglichkeiten mit sich gebracht, die in ihren Folgen, besonders zu einer Zeit, wo die Kenntnis dieser Naturkraft und der Mittel zu ihrer Erzeugung und Fortleitung noch nicht so ausgebaut war wie heute, oft sehr verhängnisvoll waren. Gegenwärtig steht sie jedoch in bezug auf Gefahrensicherheit hinter keiner anderen Kraftquelle zurück.“

Dem Verfasser dieses ist es in einer eingehenden Bearbeitung dieser Angelegenheit in dem Aufsatze „Die elektrischen Starkstromanlagen Deutschlands und ihre Sicherheit[1]“ gelungen, nachzuweisen, daß tatsächlich die Zahl der durch elektrischen Betrieb vermiedenen Unfälle wesentlich größer ist als die Zahl der durch den elektrischen Betrieb neu entstandenen, und daß somit der elektrische Betrieb in bezug auf Unfallverhütung eine hervorragende Rolle in der gesamten deutschen Industrie, im Handwerk usw. spielt. Jede Energieart wird bei ihrer Benutzung zu Unfällen führen, da es immer wieder vorkommt, daß sie sich ihrer Fesseln entledigt und sich in einer Weise freimacht, welche nicht gewollt und in manchen Fällen auch nicht vorherzusehen ist. Bei der Elektrizität liegen in dieser Beziehung die Verhältnisse aber am günstigsten.

Fernmeldetechnik.

Die Anfänge der Fernmeldetechnik, oder wie sie früher genannt wurde, „Schwachstromtechnik“ gehen bis zum Jahre 1840 zurück. Die Entwicklung war aber in der ersten Zeit eine verhältnismäßig geringe, und erst in den letzten 25 Jahren läßt sich auch bei dieser alten Anwendung der Elektrizität


  1. ETZ 1913, Seite 588 ff.
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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 566. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/129&oldid=- (Version vom 20.8.2021)