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bedienen, was jedem Freunde des Handwerks berechtigte Hoffnung auf Hebung des Handwerks gegeben hat, und das haben wir ausschließlich der Elektrizität zu danken.“

Daß auch diese Entwicklung selbst von den hervorragendsten Männern früherer Zeit nicht vorausgesehen werden konnte, ergibt sich aus einer sehr interessanten Ausführung des ehemaligen Generalpostmeisters von Stephan. In der 181. Sitzung des Reichstages vom 26. Februar 1892 führte er nämlich folgendes aus:

„Wenn nun immer auch angeführt wird, daß die Kleinindustrie einen großen Vorteil davon haben werde, so habe ich auch dagegen meine Bedenken, denn die elektrische Kraft ist ja an die Leitungen gebunden. Sie können nicht die Leitung an jede Drehbank, in jede Schlosserwerkstatt, in jeden Klempnerkeller einführen, das hat doch auch seine wesentlichen Bedenken.“

Heute befinden sich aber schon allein im Anschluß an Elektrizitätswerke zirka 500 000 Elektromotoren mit einer Leistung von 1 900 000 PS im Betrieb, wobei die Motoren zum Betrieb von Straßenbahnen nicht mit eingerechnet sind. Eine noch erheblich größere Zahl von Elektromotoren ist aber an die sogenannten „Einzelanlagen“ angeschlossen. Hier sind es namentlich Maschinen größerer Leistung. Diese sowohl wie die Bahnmotoren zusammengenommen mit den an Elektrizitätswerken angeschlossenen dürften heute in Deutschland eine Gesamtleistung von zirka 8 MillionenPS besitzen. Daraus kann man ermessen, welche ungeheure Bedeutung heute der elektrische Kraftbetrieb für das gewerbliche Leben besitzt. Daß die deutsche Elektrizitätsindustrie in der Lage war, in dem kurzen Zeitraum von kaum 25 Jahren die hierfür nötigen Anlagen anzuführen, zeigt allein schon, auf welch hohem Stande der Entwicklung sie sich befindet. Über die Zunahme der Leistungsfähigkeit aller Motoren liegen genaue zahlenmäßige Unterlagen nicht vor. Solche sind aber vorhanden für die an Elektrizitätswerke angeschlossenen Motoren und seien hier wiedergegeben. Die Leistung dieser Motoren betrug:

im Jahre 1895 ca. 6 000 PS
im Jahre 1900 ca. 110 000 PS
im Jahre 1905 ca. 320 000 PS
im Jahre 1907 ca. 600 000 PS
im Jahre 1909 ca. 920 000 PS
im Jahre 1911 ca. 1 250 000 PS
im Jahre 1913 ca.      1 900 000 PS

Nicht nur die Industrie hat von der Tätigkeit der Elektrotechnik Vorteile gezogen, sondern auch fast alle anderen Erwerbszweige. Besonders hat die Elektrizität in den letzten Jahren der deutschen Landwirtschaft Großes geleistet. Sie hat ihr nicht nur die elektrische Beleuchtung gebracht, sondern namentlich den Elektromotor zur Verfügung gestellt und dadurch ermöglicht, den Mangel an Arbeitskräften, wenn auch nicht vollständig zu beseitigen, so doch erheblich zu mindern. Durch den Bau von Überlandzentralen ist der Landwirtschaft die Möglichkeit gegeben worden, sich der Vorteile, welche die Elektrotechnik mit sich bringt, zu bedienen, und es ist hiervon auch in umfangreichster Weise Gebrauch gemacht worden.

Außer der weitgehendsten Beeinflussung des Gewerbes, des Handels und der Landwirtschaft

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 561. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/124&oldid=- (Version vom 20.8.2021)