Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 2.pdf/122

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Die Elektrizitäts-Industrie
Von Georg Dettmar, Generalsekretär des Verbandes Deutscher Elektrotechniker


Entwicklung der Elektrizitäts-Industrie.

Die Anfänge der deutschen Elektrizitätsindustrie gehen bis fast in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Sie beschränkten sich allerdings damals auf Telegraphie und Galvanotechnik; später erst trat die Telephonie hinzu. Die Grundlagen für die Starkstromtechnik aber waren damals noch nicht vorhanden. Erst im Jahre 1867 wurde von Werner Siemens der entscheidende Schritt getan, durch welchen die Möglichkeit der Verwertung größerer Energiemengen auf elektrischem Wege gegeben wurde. Auch hiernach waren natürlich noch viele Schwierigkeiten zu überwinden, ehe überhaupt von einer nennenswerten Anwendung der sogenannten Starkstromtechnik gesprochen werden konnte. Jedenfalls war der Umfang der gesamten Elektrizitätsindustrie im Jahre 1888 gegenüber dem der gesamten deutschen Industrie ein so verschwindender, daß sie noch völlig zurücktrat. In dem kurzen Zeitraum von 25 Jahren hat sie sich dagegen zu einem der bedeutendsten Zweige deutscher Technik entwickelt. Es ist ihr gelungen, in dieser kurzen Zeit überall einzudringen und sich unentbehrlich zu machen. Dies trifft nicht nur für die anderen industriellen Gebiete zu, sondern in gleichem Maße auch auf das öffentliche und private Leben. Durch die Elektrizitätsanwendungen haben sich die Lebensgewohnheiten der Menschen in letzter Zeit ganz erheblich geändert und es ist zu erwarten, daß dies auch in der kommenden Zeit noch in weitgehendem Maße geschehen wird. Wie tiefgreifend die Lebensgewohnheiten beeinflußt worden sind, ersieht man, wenn man sich klar macht, was geschehen würde, wenn man der Menschheit den Telegraphen, das Telephon, die elektrische Straßenbahn, den Elektromotor und andere Erzeugnisse der Elektrizitätsindustrie nehmen würde. Es hat wohl kaum ein Zweig der Technik sich mit solcher Geschwindigkeit entwickelt und sich so schnell überall unentbehrlich gemacht, wie die Elektrotechnik.

Das Emporblühen der Elektrizitätsindustrie zu einer solchen Bedeutung konnte in früherer Zeit von niemandem vorausgesehen werden. Selbst in industriellen Kreisen hat man der Starkstromtechnik keine günstige Zukunft vorausgesagt. In der vor zirka 30 Jahren herausgegebenen Jubiläumsschrift der Deutschen Kontinentalen Gasgesellschaft befindet sich eine diesbezügliche interessante Äußerung. Der Teil dieser Denkschrift, welcher sich mit der Starkstromtechnik befaßt, konstatierte nach Passow[1] „.... eine


  1. Die gemischt privaten und öffentlichen Unternehmungen auf dem Gebiete der Elektrizitäts- und Gasversorgung und des Straßenbahnwesens, Seite 186.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 559. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/122&oldid=- (Version vom 20.8.2021)