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die Straßenlokomotive desselben dahin, während das moderne Kraftfahrzeug mit einem leichten raschlaufenden Motor an ihm vorbeifliegt. In diesem Sondergebiete fehlt die Hand des wissenschaftlich gebildeten Ingenieurs, der Nur-Praktiker beherrscht das Feld, in früheren Jahren mit Recht, heute kann er dem raschen Fortschritte nicht mehr folgen. Was von den technischen und landwirtschaftlichen Hochschulen hierin geleistet wird, ist mehr technologisch beschreibender, statt konstruktiv schaffender Natur. Dagegen sind die leichteren Geräte und Maschinen, allerdings auch wieder durch das Beispiel des Auslandes, zu sehr eleganten Ausführungen gediehen. Den gesteigerten Anforderungen an den Boden und seine Bewirtschaftung scheinen unsere heutigen Maschinen in Anbetracht der wechselreichen Witterung unserer Breitengrade nicht mehr ganz gewachsen zu sein. Die Maschinen müssen rascher arbeiten, damit die in genossenschaftlichem Besitz befindlichen Maschinen in kürzerer Zeit allen Genossen zur Verfügung gestellt werden können.

Schlußwort.

Noch viele Einzel-Zweige der Maschinen-Industrie würden wir nennen können, denen in den letzten fünfundzwanzig Jahren die Wohltat des langen Friedens und die, durch eine ruhige Politik ermöglichte Beschränkung der wirtschaftlichen Schwankungen zu einer raschen Entwicklung verholfen haben. Wenn in den obigen Aufzählungen da und dort Kritik geübt wurde, so geschah es nicht, um den betreffenden Zweig in ein ungünstiges Licht zu setzen, sondern um zu zeigen, daß allenthalben noch Raum und Gelegenheit ist zur Entfaltung von Fähigkeiten, zur Freude an der Arbeit für den Fortschritt und am Wagnis in neuen Arbeitsgebieten. Indes ruft jede rasche Entfaltung gewisse unästhetische oder schädliche, vielleicht sogar gefährliche Begleiterscheinungen hervor. Wir müssen dieselben zu erkennen suchen, und müssen den Mut haben, sie uns ehrlich zu gestehen und auf sie hinzuweisen.

Die Meister der Ingenieur-Kunst sind es, die uns neue Wege zeigen und frei machen, meist jahrelang verkannt, weil auch sie, als Menschen der Beschränkung der menschlichen Erkenntnis unterworfen, tastend das Richtige suchen müssen, heftig bekämpft von denen, welche glauben, ihr materielles Interesse durch Festhalten an Veraltetem wahren zu müssen, umjohlt von dem Gelächter der kleineren Geister, die außerstande sind, einen eigenen Weg zu gehen und anfängliche Mißerfolge als Beweis für die Unrichtigkeit des neuen Weges ansehen. Und wer wird dem Meister gerecht, wenn seine Arbeitskraft vor dem Ziele aussetzt, und andere, die Pionierarbeit des Meisters nützend, das Werk vollenden und den klingenden Erfolg desselben und die, meist nicht der Pionierarbeit, sondern dem äußeren Erfolge anhaftenden, Ehrungen einheimsen. Den in der allerersten Entwicklung begriffenen, nicht leichthin als fruchtbar zu erkennenden Ideen sind leider auch vielfach unsere großen technisch-wissenschaftlichen Vereine eher ein Hemmschuh, als eine Förderung gewesen. Man darf dies aussprechen, ohne die großen Verdienste dieser Vereine um die technische Wissenschaft zu verkennen.

Dem stillen Heldentum des Ingenieurs im täglichen Kleinkampfe gegen den Widerstand der Materie und gegen die, in der Beschränkung der menschlichen Erkenntnis und Arbeitskraft begründeten äußern und wirtschaftlichen Gefahren entsprechen einfache

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 557. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/120&oldid=- (Version vom 20.8.2021)