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der deutschen Volkswirtschaft und für eine Gefährdung der wirtschaftlichen Schlagfertigkeit Deutschlands in Zeiten drohender politischer Verwicklungen halten, so darf man andererseits hoffen, daß die Landwirtschaft die technischen Erfolge der, durch die systematische Erschließung der Wasserkräfte geförderten Erzeugung künstlicher Düngemittel ausnutzt und ihre Produktion hierdurch so stark steigert, daß jener Schaden nach Möglichkeit wieder aufgewogen wird.

Die Verdichtung von Gasen, die leichter als Luft sind, besonders des Wasserstoffes, auf sehr hohen Druck (200 Atm.), ist für die Luftschiffahrt von höchster Bedeutung geworden infolge der relativen Herabsetzung des unnützlich mitzuführenden Gewichts der Stahlgefäße. In allen, in diesem Abschnitte über Fortbewegen und Drücken von Gasen und Flüssigkeiten aufgeführten Maschinenarten und Industrien ist Deutschland als Pfadfinder vorangegangen. Neben der chemischen Industrie hat gerade auf diesem Gebiete deutsche Forschung und deutsche Gründlichkeit die glänzendsten Erfolge errungen.

Kälte-Industrie.

Als mustergültig wird vom Ausland die Entwicklung der schon vor 25 Jahren in guten Bahnen befindlichen deutschen Kälte-Industrie angesehen. Wohl gibt es, den größeren zu bewältigenden Massen an aufzubewahrenden Lebensmitteln entsprechend, in Amerika, Rußland und England noch größere Kühlhäuser als bei uns, aber die neueren Maschinen derselben sind entweder aus Deutschland bezogen oder wenigstens den deutschen vorzüglichen Maschinen getreulich nachgebildet. Die wirtschaftliche Bedeutung der Kühlhäuser für die Versorgung der Städte mit Lebensmitteln ist in den letzten Jahren mehr und mehr in den Vordergrund getreten. Auch die Heeresverwaltung hat ein großes Interesse an der Vermehrung der großen Kühlhäuser, besonders an den Grenzen. Die Landwirtschaft hat das Hilfsmittel der künstlichen Kühlung, besonders aber die Möglichkeit des Transportes von Lebensmitteln in künstlich gekühlten Eisenbahnzügen, nur strichweise und fast nur für Milch und Butter ausgenutzt. Baden und Schleswig-Holstein stehen obenan, die Ostprovinzen sind noch sehr rückständig.

Während in der chemischen Industrie, gezwungen durch das Bestreben, die Abfallstoffe als Nebenprodukte zu verwerten, die Einzel-Industrien schon gelernt haben, sich zu einer großzügigen Marktpolitik zusammenzuschließen, arbeitet in der Maschinen-Industrie noch jedes Gebiet für sich. Es fehlen noch auf vielen Gebieten die Männer, die weitschauend zusammenfassen, was durch Zusammenwirken große wirtschaftliche Vorteile bringen könnte.

Dezentralisierung und Gruppierung von Industrien um die Landwirtschaft.

In den Städten drängt sich Werk an Werk, die großen Städte wachsen ins Ungeheure, die Dörfer und kleinen Städte haben Mühe, die notwendigsten Arbeitskräfte zurückzuhalten. Die Gesundheit des Volkes an Leib und Seele leidet unter diesem Übel. Die, durch die bessere Ausnutzung der Kraftquellen des Landes und die Verbesserung der Güterverkehrsanlagen begünstigte Dezentralisierung der Industrie in abgelegene Täler und

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 552. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/115&oldid=- (Version vom 20.8.2021)