Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 2.pdf/101

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

bei dem die Gerüste der Vor- und Fertigstraßen hintereinander angeordnet sind und das Knüppelstück automatisch durch die verschiedenen Walzen hindurchgeführt wird, fand in den letzten Jahren an verschiedenen Stellen in Deutschland Eingang. Die steigende Geschwindigkeit der nacheinander folgenden Walzenpaare wird durch Zahnräder bzw. Riemenübertragung bewirkt. Die Produktion dieser Walzwerke ist sehr groß, und Leistungen von 120 Tonnen in einer zehnstündigen Schicht sind bei Drahtwalzwerken nichts Ungewöhnliches.

Eine weitere amerikanische Neuerung, die in Differdingen vervollkommnet wurde, ist das Grey-Walzwerk, das aus zwei hintereinander angeordneten Walzgerüsten besteht, wovon das erste zwei horizontale Walzen besitzt und das zweite Gerüst als Universalwalzwerk ausgebildet ist. Auf diesem Walzwerk ist es möglich, breitflanschige Träger von sehr großen Abmessungen herzustellen. Ein anderes Verfahren, derartige Träger zu walzen, hat Sack in Düsseldorf bereits im Jahre 1887 vorgeschlagen.

In der Fabrikation nahtloser Röhren wurden durch das Verfahren von Mannesmann und durch das von Ehrhardt große Fortschritte erzielt.

Für den Antrieb der Walzenstraßen ist anfangs dieses Jahrhunderts die Gasmaschine verwendet worden, welche sich zu diesem Zwecke jedoch nur langsam einführte, da dieses Maschinensystem keine starke Überlastung verträgt. Man lernte später die Leistung der Maschine derart zu bemessen, daß sie auch für den höchsten Kraftbedarf der Walzenstraße ausreicht, solche Maschinen sind aber häufig zu gering belastet, wobei der Gasverbrauch unwirtschaftlich wird. Der Elektromotor, welcher bis vor wenigen Jahren im Walzwerk nur zum Antrieb der Hilfsmaschinen diente, hat sich auch als Antriebsmotor für Walzenstraßen eingebürgert. Zuerst wurden Gleichstrommotoren, insbesondere zum Antrieb der Feinstraßen, verwendet, was den Nachteil mit sich brachte, daß dieselben nicht an das allgemeine Stromnetz, in welchem gewöhnlich Drehstrom zur Verfügung steht, angeschlossen werden konnten. Um die Verwendung von Drehstrommotoren zu ermöglichen, war es erforderlich, auch hier die Veränderlichkeit der Umdrehungszahlen zu erzielen, was durch verschiedene, zum Teil jedoch etwas komplizierte Einrichtungen gelungen ist. Hierbei wird der Vorteil erreicht, daß ein hoher Nutzeffekt des Motors auch bei der herabgesetzten Umdrehungszahl erhalten bleibt. Die Erfindung des Ilgner-Umformers mit Schwungrad gestattete auch den Antrieb von Umkehrblockstraßen auf elektrischem Wege vorzunehmen, ohne unzulässig hohe Stromstöße im Netz zu bekommen.

Bezüglich der Verarbeitung der Legierungen ist von Interesse das Warmpreßverfahren von Dick, das zum Verarbeiten von Messing, Deltametall und ähnlichen Legierungen zu Rundstangen, profilierten Stäben usw. bei Temperaturen zwischen 600 und 700° C dient. Es werden zylindrisch gegossene, auf Preßtemperatur erwärmte Blöcke in den Preßzylinder einer Presse gebracht und, nachdem derselbe geschlossen, mittels Wasserdruck das Material durch eine Preßmatrize aus Wolframstahl gepreßt.

Das Verfahren dient auch zur Herstellung des Ausgangsmaterials für den sog. Preßguß. Aus Rund- oder Profilstangen werden geeignete Stücke abgestochen und erwärmt; sodann wird auf Friktionspressen in unterteilten Gesenken dem Stück die Gebrauchsform erteilt.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 538. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/101&oldid=- (Version vom 20.8.2021)