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Kreditwesen.

Immer mehr hatte sich mit den Jahren die Wichtigkeit der schwierigen Frage der Kreditgewährung in den Schutzgebieten in den Vordergrund gedrängt. Der rein kaufmännische Kredit wurde zwar in den afrikanischen Schutzgebieten im Gegensatz zu der Südsee durch Handelsbanken im allgemeinen befriedigt. Indes die Kolonien mit einer stärkeren weißen Bevölkerung, wie Ost- und vor allem Südwestafrika, verlangten die Schaffung weiterer Kreditquellen. In letztererm Schutzgebiet versuchte man diesem Bedürfnis durch die Organisation genossenschaftlicher Darlehnskassen abzuhelfen. Wiewohl sich die Genossenschaftsbank in Windhuk durchaus befriedigend entwickelte, konnte sie ihrem ganzen Wesen nach doch nur kurzfristigen Betriebskredit gewähren. Dieser genügte aber nicht für die große Mehrzahl der Unternehmungen, die, mit mittleren und kleineren Kapitalien ins Leben gerufen, sich gut entwickelt hatten und erhebliche Werte repräsentierten, aber nach Lage der eigenartigen kolonialen Verhältnisse noch keine sichere Rente abwarfen. Hier konnte nur die Schaffung langfristigen Besitz- und Meliorationskredits Abhilfe bringen. Die hierauf gerichteten Bestrebungen fanden in der Deutschen Kolonialgesellschaft eine warme Befürworterin. Auch die Kolonialverwaltung war hiervon so überzeugt, daß mit dem jetzigen Gouverneur für Südwestafrika unmittelbar nach seiner Ernennung diese Frage aufs eingehendste erörtert und derselbe beauftragt wurde, mit größter Beschleunigung sichere, zahlenmäßige Unterlagen über Wert und Verschuldung der Farmen zu beschaffen, die dann alsbald nach ihrem Eingang der inzwischen als Beraterin der Kolonialverwaltung für Gebiete, auf denen eine Mitwirkung von Sachverständigen bisher fehlte, ins Leben gerufenen und neuerdings durch Ernennung weiterer Mitglieder verstärkten wirtschaftlichen Kommission vorgelegt wurden. Sie beantwortete die wichtige Vorfrage, ob für diese Zwecke privates Kapital in genügender Höhe und geeigneter Form erhältlich sei, unbedingt verneinend, stimmte vielmehr der Kolonialverwaltung zu, daß die annehmbarste Lösung die Schaffung einer öffentlich-rechtlichen, mit Staatsmitteln dotierten, aber sich selbst erhaltenden Institution, etwa nach Art der Transvaalbank, sein dürfte. Nachdem die Selbstverwaltungskörper des Schutzgebietes ausgiebig gutachtlich gehört worden sind, ist dann auf ähnlicher, wenn auch in mancher Beziehung veränderter und mehr den deutschen Verhältnissen angepaßter Basis erfreulicherweise eine Landwirtschaftsbank mit einem staatlichen, durch Schutzgebietsanleihe aufzubringenden Kapital von 10 Mill. M. ins Leben gerufen worden, indem gleichzeitig die Möglichkeit der Ausgabe von Schuldverschreibungen auf den Inhaber seitens der Bank bis zum zehnfachen Betrage des Grundkapitals vorgesehen ist. Es scheint fast, als ob hier eine Norm gefunden sei, die mit etwaigen den lokalen Verhältnissen angepaßten Änderungen künftig auch für andere Kolonien – zunächst voraussichtlich für Deutsch-Ostafrika – in Frage kommen dürfte. Früher noch als für den ländlichen, ist für den städtischen Bodenkredit, und zwar durch die Gründung eines rein privaten Kreditinstituts, gesorgt worden. Es ist zu hoffen und zu erwarten, daß diese ihrer Wichtigkeit und Tragweite entsprechend nach langen sehr eingehenden Beratungen unter Zuziehung der sachverständigen preußischen Ressorts zustande gekommenen Kreditanstalten bei richtiger Leitung von großem Segen für die gesunde Weiterentwickelung

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 442. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/458&oldid=- (Version vom 12.12.2020)