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allzu häufigen Wechsel mehr begegnet worden, ein Faktor, der für die Stetigkeit der Entwickelung unserer Kolonien nicht hoch genug anzuschlagen ist. Gleichzeitig wurde der kolonialwissenschaftlichen Vorbildung der Beamten erhöhte Fürsorge zugewandt. Hatten schon bisher einzelne Beamte und Offiziere das Seminar für orientalische Sprachen in Berlin besucht und dort kolonial wichtigen, namentlich sprachlichen Studien obgelegen, so wurde jetzt die theoretische Ausbildung sehr erweitert, insbesondere nachdem der Staat Hamburg ein eigenes Kolonialinstitut mit einem umfassenden Lehrplan errichtet hatte, zu dessen Kursen übrigens außer Beamten und Offizieren, denen die Teilnahme von den Kolonial-Zentralbehörden dringend ans Herz gelegt und durch pekuniäre Unterstützungen erleichtert wird, auch andere Kolonialinteressenten: Kaufleute, Industrielle, Landwirte und Lehrer zugelassen werden.

Für die Finanzgebarung wurde als einstweilige Norm aufgestellt, daß vom Reiche in Zukunft grundsätzlich nur noch die aus der ersten Erwerbung, der Regulierung der Grenzen und dem militärischen Schutze erwachsenden Kosten zu tragen seien, während für alle anderen Ausgaben die Schutzgebiete durch Hebung der eigenen Einnahmen selbst aufzukommen hätten. Um die finanzielle Selbständigkeit derselben zu sichern und andererseits ein Zurückfallen in den Reichszuschuß zu verhüten, wurde ein Ausgleichsfonds geschaffen, in den der etwaige Überschuß der Einnahmen fließen und aus dem etwaige Unterbilanzen gedeckt werden sollten. Außerdem wurde eine strenge Scheidung zwischen werbenden und nichtwerbenden Ausgaben gemacht. In Zukunft sollten die Kosten für werbende Anlagen auf neu ins Leben gerufene, vom Reiche garantierte Kolonialanleihen genommen werden, die aus den bereiten Mitteln des betreffenden Schutzgebietes zu verzinsen und zu amortisieren sind.

Bahnbau-Programm.

Unter den werbenden Anlagen nehmen die Eisenbahnen die erste Stelle ein, da ihr Bau das beste und sicherste Mittel zur schnelleren Hebung der wirtschaftlichen Entwickelung der Kolonien ist. Nach dem von den gesetzgebenden Körperschaften gebilligten Vorschlage der Kolonialverwaltung sollte an den Bau von Eisenbahnen nur herangegangen werden, wenn nach der Finanzlage des Schutzgebietes die Verzinsung und Amortisation der Anleihe gesichert war und die Entwickelungsmöglichkeiten der von ihnen durchschnittenen oder in ihren Aktionsradius fallenden Gebiete in absehbarer Zeit eine Rentabilität erwarten ließen. Nur unter strikter Innehaltung dieser Bedingungen zeigte sich der Reichstag damals bereit, Mittel zu größeren Bahnbauten zu bewilligen, was allerdings den Nachteil hatte, daß die Verwaltung vorläufig zu hohen Tarifen greifen mußte, um auf der einen Seite den Bahnbau fördern, auf der anderen ihre den gesetzgebenden Körperschaften gegenüber übernommenen Verpflichtungen erfüllen zu können. So wurde zunächst für Ostafrika, Kamerun und Togo und 2 Jahre später auch für Südwestafrika ein umfassendes Bahnbauprogramm aufgestellt und von den parlamentarischen Körperschaften gutgeheißen. In Südwestafrika ist es vorläufig zum Abschluß gelangt. In Togo, wo die Palimebahn damals bereits beendet war, ist die Süd-Nordbahn erst bis Atakpame fertiggestellt. In Ostafrika wird binnen kurzem

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 433. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/449&oldid=- (Version vom 12.12.2020)