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es alsbald erfreuliche Fortschritte machte, wobei ihm entgegen unseren afrikanischen Besitzungen sehr zustatten kam, daß es von vornherein reichlich mit Geldmitteln versehen wurde.

Erwerb der Karolinen und Samoas.

Bei dem Erwerb der Karolinen und Samoas im Jahre 1899/1900 sprachen neben kolonialen und maritimen Gesichtspunkten Momente mit, die in dem deutschen Volksempfinden und in dem deutschen Selbstgefühl wurzelten. Hatte doch 15 Jahre zuvor das Kanonenboot Iltis die deutsche Flagge auf den Karolinen gehißt gehabt. In Samoa vollends war deutsches Blut geflossen und auf der Reede von Apia hatte mancher brave Seemann sein Leben gelassen. So kann es nicht Wunder nehmen, daß beide Abkommen mit großer Befriedigung aufgenommen wurden, das über Samoa um so begeisterter, als dadurch ein 10 Jahre früher vom Reichstage verschuldetes Versäumnis wenigstens teilweise wieder ausgeglichen wurde. Aber neben diesen idealen sprachen auch reale Beweggründe mit. Der wirtschaftliche Wert der Inseln Upolu und Sawaii, auf denen der deutsche Handel schon damals überwog und wo deutsches Geld in Handelsunternehmungen und Pflanzungen angelegt war, wurde recht hoch eingeschätzt. Auch auf den Karolinen befanden sich seit langem deutsche Handelsniederlassungen, namentlich bestanden auf einer Reihe von Inseln Faktoreien der Jaluitgesellschaft. Noch mehr ins Gewicht fiel aber der Gesichtspunkt, daß die geographische Lage der Inseln zu unseren Besitzungen in der Südsee es in hohem Grade unerwünscht erscheinen lassen mußte, daß sie in den Besitz einer anderen Macht übergingen. Durch sie wurde unser früherer Südseebesitz so vervollständigt, daß er jetzt gewissermaßen ein zusammenhängendes Ganze bildet. Nimmt man noch hinzu, daß sich in dem Inselgebiet einerseits einzelne gute Ankerplätze, andererseits sehr wertvolle, inzwischen im Abbau begriffene Phosphatlager finden, so wird man sich mit dem im Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert der Inseln häufig als sehr hoch bezeichneten Kaufpreise von 16 Mill. M. sehr wohl abfinden können.

Gouvernementsräte. Anläufe zur Selbstverwaltung.

Ohne Frage bedeuten die Neuerwerbungen in Ostasien und in der Südsee zu deren Vorbereitung und Durchführung von vornherein und in allen Stadien die mitbeteiligten Stellen, das Reichsmarineamt und die Kolonialabteilung, ausgiebig herangezogen worden waren, sodaß gegenseitiges, vollständiges Einvernehmen erzielt worden war, einen sehr bedeutenden Machtzuwachs des deutschen Reiches, dessen Stellung in der Südsee noch dadurch weiter gehoben wurde, daß es etwa zur selben Zeit von der Neuguinea-Kompagnie die ihr seinerzeit übertragene Landeshoheit zurücknahm, um sie in Zukunft selbst auszuüben. Alle diese wichtigen Ereignisse bewirkten, daß, wenn auch nur vorübergehend, ein frischerer Zug in unsere koloniale Bewegung kam, und Interesse und Verständnis für unseren überseeischen Besitz in der Heimat zunahmen.

Auch die Verwaltung der Schutzgebiete wurde dadurch günstig beeinflußt. Durch Heranziehung weißer Einwohner zu verschiedenen Verwaltungsmaßnahmen und zur

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/442&oldid=- (Version vom 12.12.2020)