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Bataillonsverbande entsprechenden Nord- und Südbezirke eingeschoben worden. In dem Verhältnis der Truppenbefehlshaber zu den obersten Beamten der Schutzgebiete trat im Jahre 1896 eine wesentliche Änderung ein, indem dem Gouverneur, durch Allerhöchste Order neben der zivilen auch die höchste militärische Gewalt übertragen wurde, in der Erwägung, daß in diesen so weit von der Heimat entfernten Gebieten letzten Endes nur einer die Gesamtverantwortung tragen könne. Diese Organisationsänderung bedeutete einen großen Fortschritt, da der Dualismus und der Mangel an Einheitlichkeit der Verwaltung lähmend auf den ganzen Dienstbetrieb gewirkt hatte. Dies um so mehr, als die Grenzen zwischen zivilen und militärischen Befugnissen noch sehr flüssig waren, und vielfach Offiziere zugleich Zivilverwaltungsstellen innehatten.

Verwaltung und Gerichtswesen.

Denn erst allmählich, und mit dem Wachsen der rein zivilen Aufgaben erschien es ratsam und aus ökonomischen Gründen vertretbar, eigene lokale Zivilbehörden zu schaffen. Als solche kamen in erster Linie die Bezirksämter in Betracht, die vom Gouverneur und der unter ihm stehenden Zentralverwaltung ressortieren. Zunächst nur an der Küste eingerichtet, wurden sie je nach der Ausdehnung des Einflusses der Regierung auf die Bevölkerung ins Innere vorgeschoben. Aber auch die so gebildeten Verwaltungsbezirke wurden häufig (insbesondere da, wo die militärischen Aufgaben die der Zivilverwaltung überwogen) mit Offizieren besetzt, die gleichzeitig die Funktionen von Stationschefs oder Kompagnieführern versahen. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß auch in diesen Stellungen unsere Offiziere und Sanitätsoffiziere Tüchtiges, zum Teil Mustergültiges geleistet haben, indem sie einen sehr günstigen Einfluß auf ihre Schutzbefohlenen ausübten, die sie mit ruhiger und starker Hand an die deutsche Herrschaft gewöhnten, und zu öffentlichen Arbeiten, hauptsächlich zu – in erster Linie den Eingeborenen zustatten kommenden – Wege- und Wasserarbeiten heranzogen. Auch wußten sie das Vertrauen derselben dadurch zu gewinnen, daß sie ihrem Gesundheitszustande ihre ernste Aufmerksamkeit zuwandten, was ihnen durch die bei ihrer Truppe befindliche Ausrüstung mit Sanitäts-Personal und -Material erleichtert wurde.

Gleichzeitig mit der Organisation der Verwaltungsbehörden wurde auch das Gerichtswesen geordnet. Die gesetzliche Grundlage hierfür boten die §§ 2 und 3 des Schutzgebietsgesetzes, in dessen § 1 bekanntlich festgestellt ist, daß die Schutzgewalt in den Deutschen Schutzgebieten im Namen des Reiches vom Kaiser ausgeübt wird. Für die Zivil- und Strafgerichtsbarkeit der Nichteingeborenen wurden Gerichtsbezirke gebildet, in denen juristisch vorgebildete Beamte allein oder mit 2 Beisitzern die richterlichen Befugnisse erster Instanz ausübten, während der Gouverneur nebst 4 Beisitzern die Befugnisinstanz unter der Bezeichnung „Obergericht“ bildete. Abgesehen von diesen Abweichungen galten nach Maßgabe der Vorschriften über die Konsulargerichtsbarkeit die heimischen Justizgesetze, deren Bestimmung allerdings für die ganz anders gearteten, einfachen afrikanischen Verhältnisse zunächst wenig paßten. Ebensowenig wie für die Trennung von Zivil und Militär in der Verwaltung, waren damals die Verhältnisse für eine gänzliche Scheidung von Rechtsprechung und Verwaltung schon weit genug vorgeschritten. Infolgedessen

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/435&oldid=- (Version vom 12.12.2020)