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in Betracht kamen, die sich um die damals an Mitgliederzahl noch kleine deutsche Kolonialgesellschaft scharten.

Reichstag.

Vom Deutschen Reichstage waren damals nur mit großer Mühe die allernotwendigsten Gelder für die Okkupation und Befriedung unserer überseeischen Besitzungen und zur ersten Einrichtung einer Verwaltung in den beruhigten Landesteilen zu erlangen, während für Verkehrs- und wirtschaftliche Zwecke in irgendwie erheblicherer Höhe Reichsmittel nicht zu haben waren. Im Gegensatz zu heute standen die Linksliberalen unter Richters Führung der Kolonialpolitik noch gänzlich ablehnend gegenüber; das Zentrum betrachtete sie mit wenigen Ausnahmen nur unter dem Gesichtswinkel der Heidenmissionierung; die Konservativen, bei deren Parteifreunden Peters 1884 für seine kühnen afrikanischen Pläne in besonderem Maße Verständnis und Unterstützung gefunden hatte, versagten zwar nie, wenn es sich um die zur Behauptung unseres Kolonialbesitzes erforderliche politische oder militärische Machtentfaltung handelte, aber den wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten stand damals noch mancher von ihnen sehr skeptisch gegenüber, so daß überzeugte Anhänger einer kräftigen, mit großen Mitteln zu betreibenden Kolonialpolitik fast nur in den Reihen der nationalliberalen und freikonservativen Abgeordneten zu finden waren.

Kolonialabteilung. Kolonialrat.

Die Verwaltung der Kolonien war im Jahre 1890 einer neugebildeten Abteilung des Auswärtigen Amtes (Kolonial-Abteilung) übertragen, die in allen eigentlichen Kolonialangelegenheiten dem Reichskanzler direkt unterstehen sollte. Um ihre Stellung zu stärken und ihr den Rat kolonial bewanderter Männer zugänglich zu machen, wurde als sachverständiger Beirat ein Kolonialrat errichtet, in dem neben anderen vom Reichskanzler berufenen Mitgliedern die in den Schutzgebieten tätigen Kolonialgesellschaften vertreten waren. Ihm wurden alle wichtigen Angelegenheiten, seit 1892 vor allem auch die Etats der Schutzgebiete, zur Begutachtung vorgelegt.

Kolonialkriege.

Angesichts der zu geringen militärischen Machtmittel ging die dieser Epoche den Stempel aufdrückende Okkupation unserer Schutzgebiete nur sehr langsam und nicht ohne mannigfache Rückschläge vonstatten.

In den drei großen afrikanischen Kolonien hatten die Schutztruppen, welche Anfang der neunziger Jahre in Kaiserliche umgewandelt waren, und neben denen zum Teil für die rein polizeilichen Aufgaben besondere Polizeitruppen errichtet wurden, schwere Kämpfe zu bestehen.

In Ostafrika galt es auch damals noch, dem durch die Niederwerfung des Araberaufstandes noch nicht ausgerotteten Unwesen der Sklaven-Jäger und -Händler energisch zu steuern, von deren Schreckensherrschaft man einen Begriff bekommt, wenn man sich vergegenwärtigt, daß nach englischen Berichten in den 60er Jahren vor der deutschen Besitzergreifung allein von unserem Südhafen Kilwa in einem Jahr 18 000 Sklaven ausgeführt worden sind, wobei man rechnen muß, daß mindestens die 2–3fache Zahl

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 417. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/433&oldid=- (Version vom 12.12.2020)