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wenn es Kanonen sind. Bei den großen Festungen ist die Verteidigung ganz und gar in den Fortsgürtel gelegt, die Stadtumwallungen kommen daher in Fortfall. Ob die letztere Maßregel sich bewähren wird, bleibe dahingestellt. Das kann nur die Zukunft lehren. Im übrigen sind in den letzten Jahren die verschiedensten Ansichten maßgebend gewesen. Viele Festungen sind aufgehoben, zahlreiche neue Werke gebaut worden; erst neuerdings ist es gelungen, ein festes Prinzip in die Landes- und Küstenbefestigung zu bringen.

Militär-Verkehrswesen.

Einen gewaltigen Aufschwung hat in den letzten Jahren das Militärverkehrswesen genommen. Das Eisenbahnnetz ist nach strategischen Rücksichten ausgebaut, und die neuesten Erfindungen der Technik sind dem Heere dienstbar gemacht worden. Das Hauptmittel zur Nachrichtenübersendung bildet der elektrische Telegraph, der in neuester Zeit nicht mehr an Leitungen gebunden ist, sondern auf drahtlosem Wege arbeitet. Funkerabteilungen werden den höheren Behörden und der vorgeschobenen Kavallerie beigegeben; auch mit den Luftschiffen kann man durch Funkspruch Verbindung halten. Daneben bleibt der Leitungstelegraph in Kraft, und auch Fernsprechgerät wird im Heere verwandt. Lichtsignale kommen unter günstigen Bedingungen zur Anwendung.

Von großer Bedeutung für die Armee sind ferner die Kraftfahrzeuge, sowohl für den Personenverkehr als auch für den Nachschub der Heeresbedürfnisse. Zu letzterem Zweck wurden Lastzüge konstruiert. Gegen Prämien werden sie von industriellen und Handelsgesellschaften im Frieden unterhalten und stehen im Kriege zur Verfügung. Auch das Fahrrad und das Motorrad werden im Nachrichtendienst verwendet. Eine außerordentliche Entwickelung hat endlich die Luftschiffahrt erfahren. Verwendet werden entweder große lenkbare Luftschiffe oder Flugmaschinen. Sie dienen hauptsächlich Erkundungszwecken, können aber auch zum Schleudern von Sprenggeschossen benutzt werden. Die Flugmaschinen sind Eindecker oder Doppeldecker; die Luftschiffe werden teils nach dem starren Prinzip des Grafen Zeppelin, teils als halbstarre, teils als unstarre Parsevalluftschiffe konstruiert. Jedes dieser Systeme hat seine Vorzüge und Nachteile. Neuerdings werden Luftschiffe wie Flugmaschinen zur Abwehr und zum Angriff mit Waffen ausgerüstet. Diese Entwickelung ist zwar noch in den Anfängen, dennoch aber läßt sich schon jetzt übersehen, daß sich Kämpfe in der Luft abspielen werden, und die Luftschiffahrt in den Kriegen der Zukunft eine bedeutende Rolle spielen wird.

Bekleidung und Ausrüstung.

Auch bei der Bekleidung und Ausrüstung der Truppen sind wesentliche Fortschritte zu verzeichnen. Vor allem wichtig ist die Einführung grauer Felduniformen, um zu erreichen, daß die Truppen im Gefecht sich möglichst wenig vom Gelände abheben. Auch Fahrzeuge und Geschütze bekamen den feldgrauen Anstrich. Gepäck und Ausrüstung des Mannes wurden erleichtert. Auch die blanken Waffen wurden verschiedentlich geändert. Ferner erhielten alle Truppenteile Fahrräder zum Meldedienst; die

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 374. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/390&oldid=- (Version vom 15.9.2022)