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nicht geregelte Materien des Seekriegsrechts eine Einigung zu erzielen. Dies gelang auch in der bereits erwähnten Seerechtsdeklaration vom 26. Februar 1909[1].

Durch die auf den beiden Friedenskonferenzen und der Londoner Konferenz festgestellten Vereinbarungen ist in der Hauptsache eine Kodifikation des Landkriegsrechts sowohl, wie des Seekriegsrechts erfolgt.

Soweit durch die erwähnten Vereinbarungen die Rechtsordnung des Landkriegs bzw. des Seekriegs keine ausdrückliche Regelung erfahren hat, bleiben die Grundsätze, die sich gewohnheitsrechtlich gebildet haben in Geltung. Dies gilt unter anderem von dem vielumstrittenen Seebeuterecht, das mit Recht grundsätzlich aufrecht erhalten ist, aber eine umfassende Kodifikation nicht erfahren hat, wenn auch durch einzelne Konventionen in mancher Beziehung eine genauere Regelung und auch eine Milderung derselben eingetreten ist[2].

Beurteilung der Ergebnisse der beiden Friedenskonferenzen.

Betrachtet man den Verlauf und die Ergebnisse der beiden Friedenskonferenzen, so kann man denselben eine nicht zu unterschätzende Bedeutung nicht absprechen, selbst wenn man dieselben nicht vom pazifistischen Standpunkt aus beurteilt. Zunächst fällt schon ins Gewicht, daß namentlich auf der zweiten Friedenskonferenz Staaten aus allen Weltteilen vertreten waren und dadurch der Umfang der völkerrechtlichen Gemeinschaft sehr deutlich zum Ausdruck kam, wenn es auch zweifelhaft erscheinen mag, ob die Beteiligung von Siam, Haiti, Kuba und manchen anderen mittel- und südamerikanischen Staatswesen an solchen Konferenzen für die Fortbildung des Völkerrechts von besonderem[3] Vorteile ist.

Anlangend sodann die Ergebnisse der beiden Konferenzen, so haben dieselben allerdings den Erfolg nicht gehabt, auf den die Friedensschwärmer beim Zusammentritte der ersten Konferenz hofften: der Krieg ist noch nicht beseitigt und der Eintritt des „ewigen Friedens“ in eine noch recht unsichere Zukunft gerückt. Unmittelbar nach Schluß der ersten Friedenskonferenz brach der südafrikanische Krieg aus, der mehrere Jahre währte, darauf folgte das gewaltige Ringen zwischen Rußland und Japan um die Vorherrschaft in Ostasien. Die jüngste Vergangenheit sah den italienisch-türkischen Krieg um Tripolis und den Balkankrieg, der damit endigte, daß die Türken ihren europäischen Besitz bis auf einen kleinen Teil verloren.

Solange für den einzelnen Staat die Notwendigkeit besteht, seine Rechte und Interessen mit Waffengewalt verteidigen zu müssen, kann natürlich von Abrüstung in irgendwelcher


  1. Ullmann, Die Fortbildung des Seekriegsrechts durch die Londoner Deklaration vom 26. Februar 1909. Jahrbuch des öffentlichen Rechts, Bd. IV (1910). – Deutsches Weißbuch über die Ergebnisse der Londoner Seerechtskonferenz (Akten des Reichstags, 12. Legislaturperiode, Nr. 33). – Vgl. auch den Aufsatz: „Das Kauffahrteischiff und seine Ladung im Seekrieg“. Nauticus 1909, S. 232ff.
  2. Selbstverständlich sind die im vorstehenden aufgeführten Entwürfe von Vereinbarungen nur bindend für diejenigen Staaten, die sie ratifiziert haben. Diese Ratifikation ist keineswegs in bezug auf alle Abkommen von allen Staaten erfolgt, bei einzelnen Abkommen, wie dem über den Prisenhof, sogar sehr zweifelhaft. Trotzdem mußten alle diese Abkommen hier erwähnt werden, um zu zeigen, in welcher Richtung sich die Tätigkeit der beiden Friedenskonferenzen und der Seerechtskonferenz bewegt hat, zumal zu erwarten ist, daß doch die Ratifikation bei den meisten Abkommen erfolgen wird.
  3. Druckfehlerberichtigung im 3. Band: lies: „besonderen“ statt „beson- deren“
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/349&oldid=- (Version vom 31.7.2018)