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erlittene Untersuchungshaft wird auf die Fälle ausgedehnt, in denen es nur bis zu einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gekommen ist.

Änderungen die abgelehnt, aber von der Kommission festgehalten waren.

Folgende Änderungsvorschläge – sämtlich politische Fragen betreffend – wurden von den Regierungsvertretern abgelehnt, aber von der Kommission festgehalten: 1. Verbot, an Zeugen Fragen zu stellen, die das Wahlgeheimnis berühren. 2. Zeugnisverweigerungsrecht der Abgeordneten über Personen, von denen sie als Abgeordnete Mitteilungen erhalten oder denen sie als Abgeordnete Mitteilungen gemacht haben und über den Inhalt der Mitteilungen. 3. Eine Bestimmung, wonach Beschlagnahmen in den Diensträumen gesetzgebender Versammlungen nur mit Genehmigung des Vorsitzenden geschehen dürfen. 4. Erstreckung der Verfassungsbestimmungen, wonach ein Mitglied einer gesetzgebenden Versammlung während der Sitzungsperiode nur mit deren Genehmigung in Haft zu nehmen und die vor dem Zusammentritt begonnene Haft, wenn die Versammlung es verlangt, für die Dauer der Sitzungsperiode auszusetzen ist, auf die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe.

Besetzung der Gerichte.

Was die Besetzung der Gerichte betrifft, so hatte der Entwurf bei dem bisher stets mit 1 Amtsrichter und 2 Schöffen besetzten untersten Gericht die Zuziehung von Schöffen aufgegeben, sofern über Übertretungen, über Vergehen, die nur mit Geldstrafen bis zu 300 M. allein oder neben Haft bedroht sind, oder über Vergehen nach § 146a GO. zu erkennen war. Dies änderte die Kommission in 2. Lesung dahin, daß die Schöffen nur für Übertretungen nach § 361 Nr. 3–8 StrGB. (Bettelei, Landstreicherei und die sonstigen Übertretungen, bei welchen Überweisung an die Landespolizeibehörde zulässig ist) in Wegfall kommen sollten. Von den Bundesregierungen wurden hiergegen Bedenken nicht erhoben. Bezüglich der Strafkammern als 1. Instanz nahm die Kommission die Besetzung des Entwurfs – 2 Richter und 3 Schöffen – an.

Besetzung der Berufungsgerichte.

Dagegen entstand bezüglich der Besetzung der Berufungsgerichte zwischen Bundesrat und Reichstagskommission in 1. Lesung eine ernste Differenz. Die Strafkammern als Berufungsinstanz der Amtsgerichte, für die der Entwurf in § 77 GVG. 3 Richter ohne Schöffen vorsah, besetzte die Kommission mit 3 Richtern und 2 Schöffen. Die gleiche Besetzung beschloß die Kommission für die Berufungssenate als 2. Instanz der Strafkammern an Stelle der in § 99 des Entwurfs bestimmten 5 Richter. Die Vertreter der Bundesregierungen erklärten die Zuziehung von Schöffen in den Berufungsinstanzen für unannehmbar. Daraufhin schloß sich die Kommission in 2. Lesung für die Berufungsinstanzen den Vorschlägen des Entwurfs an.

Auf Grund des Kommissionsberichtes trat das Plenum am 6. Februar 1911 in die 2. Lesung, und zwar zunächst der Novelle zum GVG. ein. In dieser wurden zu den

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/324&oldid=- (Version vom 4.8.2020)