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und Aufsicht gestellt. Eine umfassende Genossenschaft dieser Art wurde 1913 für das linksniederrheinische Industriegebiet durch Sondergesetz geschaffen.

g) Endlich wurde 1913 nach jahrzehntelangen schwierigen Arbeiten in verschiedenen Ministerien und nach gründlicher parlamentarischer Beratung das große Wassergesetz zum Abschluß gebracht, das an die Stelle eines überaus zersplitterten, teilweise völlig veralteten und im ganzen jedenfalls sehr unzureichenden Rechtszustandes ein einheitliches, der heutigen Rechts- und Kulturentwicklung entsprechendes Wasserrecht für die ganze Monarchie schuf, zweifellos eines der hervorragendsten Gesetzgebungswerke der Neuzeit, das in erster Linie einen Ruhmestitel des Landwirtschaftsministeriums bildet.

4. Das Finanzwesen

Staatssteuern.

Die in der ganzen Welt sprichwörtlich gewordene altpreußische Sparsamkeit ist einer der größten Ruhmestitel des alten brandenburgischpreußischen Staates. Ihr typischer Vertreter ist, ebenso wie für die meisten anderen Zweige der Verwaltung, der große „innere König“ Friedrich Wilhelm I. Nur durch diese strenge Sparsamkeit war die Möglichkeit gegeben, daß das alte Preußen mit seinem von der Natur nur kärglich ausgestatteten Staatsgebiete den welthistorischen Weg gehen konnte, der zur Aufrichtung des Deutschen Reiches führte.

Die Aufrichtung des Reiches stellte das neue schwere Problem der Teilung der Finanzquellen des Staates zwischen Reich- und Einzelstaaten. Die Reichsverfassung gibt zur Lösung dieses Problems zweifellos den allgemeinen Grundsatz: dem Reiche die Zölle und indirekten Steuern, den Einzelstaaten die direkten Steuern. Aber daß dieser Grundsatz von Anfang an nicht als ein streng ausschließlicher betrachtet wurde, beweisen die Worte „solange Reichssteuern nicht eingeführt sind“ im ursprünglichen Wortlaut der norddeutschen und der Reichsverfassung Art. 70, die der Vorschrift über die Erhebung von Matrikularbeiträgen beigefügt sind und diese letzteren ganz zweifellos als einen nur vorläufigen, demnach sobald als möglich zu beseitigenden Bestandteil des Reichsfinanzrechtes erklärten.

Nach mehrfachem Schwanken und Experimentieren, wodurch die Grundsätze der strengen altpreußischen Finanzwirtschaft zeitweise in schwere Gefahr kamen, erfolgte der große Neubau des preußischen Finanzsystems durch die Steuergesetzgebung des Finanzministers Miquel seit 1891, fortgeführt von seinen hervorragenden Nachfolgern, eines der großartigsten und ruhmvollsten Werke der preußischen Gesetzgebung überhaupt. Die – im einzelnen an anderer Stelle dieses Werkes gewürdigten – Gesetze sind: das Gesetz, durch das die kleinen Einkommen steuerfrei gestellt wurden; das große Einkommersteuergesetz, dem ergänzend das Gewerbesteuergesetz sowie das Gesetz über die sog. Ergänzungssteuer (ein unmittelbarer Vermögensbeitrag an den Staat) zur Seite traten.

Im Anschluß an diese Neuordnung der Staatssteuern erging sodann das Gesetz über die Gemeindebesteuerung 1893, ergänzt durch das Gesetz über die Erhebung von Kreis- und Provinzialabgaben (1906); die Gemeindebesteuerung von Militärpersonen

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/204&oldid=- (Version vom 4.8.2020)