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dem Gebiete der Gerichtsverfassung, so besonders eine weitere Ausgestaltung des Gerichtswesens für Berlin, die Neuerrichtung eines Oberlandesgerichtes in Düsseldorf und eine große Zahl von neugeschaffenen Amtsgerichten. Das preußische Gerichtskostengesetz sowie die Gebührenordnung für Notare, beide von 1895, erfuhren 1910 eine wesentliche Abänderung. Mit den thüringischen Staaten wurde bezüglich mehrerer Landgerichte und des Oberlandesgerichtes Jena Vereinbarung behufs gemeinsamer Rechtspflege getroffen. Auch die Hinterlegungsordnung von 1913 mag in diesem Zusammenhange Erwähnung finden.

2. Die Verwaltungsorganisation

1. Allgemeines.

Die Verwaltungsorganisation des preußischen Staates, wie sie aus großer Zeit überkommen war, hat eine erhebliche Veränderung in den letzten Jahrzehnten nicht erfahren und wird trotz aller hierüber gepflogenen parlamentarischen und literarischen Erörterungen eine solche schwerlich finden. Weder sind die Grundlagen der Staatsverwaltung, wie sie in Weiterbildung der Gesetzgebung Friedrich Wilhelms I. und des Reichsfreiherrn vom Stein zuletzt durch das Landesverwaltungsgesetz von 1883 festgestellt wurden, noch sind die Grundlagen der Selbstverwaltung, wie sie durch die Steinsche Städteordnung von 1808 geschaffen und weiterhin durch die Kreisordnung (1872) und Provinzialordnung (1875) in großartiger Weise ausgestaltet wurden, abgeändert worden. Nur in Einzelpunkten sind diese durch die Geschichte festgelegten preußischen Verwaltungseinrichtungen ergänzt worden; so wurde 1910 die Medizinalverwaltung vom Ministerium der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten abgetrennt und dem Ministerium des Innern zugeteilt; dem Handelsministerium wurde 1890 das gesamte Bergwesen mit seinen großen Aufgaben, insbesondre bezüglich der Arbeiterverhältnisse, überwiesen, unter Trennung vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten; ferner wurde im Handelsministerium behufs einer intensiveren Bearbeitung der gewerblichen Unterrichtsangelegenheiten 1905 ein besonderes Landesgewerbeamt und ein ständiger technischer Beirat für das gewerbliche Unterrichtswesen und die Gewerbeförderung geschaffen; das Oberverwaltungsgericht mußte bei dem stetig anwachsenden Umfang seiner Aufgaben insbesondere durch Einrichtung eines besonderen Disziplinarsenates (1889) sowie eines besonderen Steuersenates (1893) erweitert werden; für die Vorbildung zum höheren Verwaltungsdienst wurden 1906 neue und schärfere Vorschriften gegeben; für die Tierheilkunde wurde beim landwirtschaftlichen Ministerium ein besonderes Landesveterinäramt mit einem ständigen Beirat für das Veterinärwesen errichtet. Die altbewährten Provinzialsteuerdirektionen wurden 1908 ohne grundsätzliche Änderung ihres Wirkungskreises in Oberzolldirektionen umgewandelt. Den Bezirksregierungen wurden 1891 besondere Gewerberäte beigegeben und diesen Gewerbeinspektionen unterstellt. Ein neuer Regierungsbezirk Allenstein wurde 1905 in Ostpreußen geschaffen.

2. Posen und die Ostmarken.

Eine besondere Schwierigkeit bieten für die Verwaltung nach wie vor die von überwiegend polnischer

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/188&oldid=- (Version vom 4.8.2020)