Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 1.pdf/159

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

die „zur Herstellung und Unterhaltung erforderlichen Kosten“; 3. daß für „Anstalten, die nicht nur zur Erleichterung des Verkehrs, sondern auch zur Förderung anderer Zwecke und Interessen bestimmt sind“ die Kosten gleichfalls durch Schiffahrtsabgaben aufgebracht werden dürfen, jedoch nur „zu einem verhältnismäßigen Anteile“; 4. daß die oben zu 1–3 angegebenen Vorschriften auch Anwendung finden auf „Abgaben, die für künstliche Wasserstraßen und für Anstalten an solchen sowie in Häfen erhoben werden“; 5. daß sie ebenso Anwendung finden auf die Flößerei, insoweit diese auf schiffbaren Wasserstraßen betrieben wird. Der Begriff der Herstellungskosten wurde dahin bestimmt, daß darunter die Zinsen und Tilgungsbeträge für die aufgewendeten Kapitalien zu verstehen sind. Die Höhe der Schiffahrtsabgaben darf unter Zugrundelegung der Gesamtkosten für eine Wasserstraße, ein Stromgebiet oder ein Wasserstraßennetz festgesetzt werden. Auf dieser neuen verfassungsmäßigen Grundlage wurden durch Reichsgesetz für Rhein, Weser und Elbe Strombauverbände der an diesen Strömen beteiligten deutschen Einzelstaaten mit dem Recht der Erhebung von Schiffahrtsabgaben eingerichtet, vermittelst deren bestimmte, gesetzlich – § 3 enthält die hochinteressanten Vorschriften hierüber – vorgeschriebene „Anstalten zur Erleichterung des Verkehrs (Schiffbarmachung, Kanalisierung, Fahrwassertiefe)“ hergestellt werden sollen. Die Verwaltung der Angelegenheiten der Strombauverbände erfolgt durch staatliche Verwaltungsausschüsse, denen gewählte Strombeiräte – für den Rhein 92, für die Elbe 56, für die Weser 24 Mitglieder – zur Seite stehen. Die Grundsätze für den Tarif der Schiffahrtsabgaben („Befahrungsabgaben“) sind gesetzlich festgelegt, für die Hinterziehung von solchen sind gesetzliche Verwaltungsstrafen bestimmt. Die den Vorschriften des Gesetzes entgegenstehenden landesrechtlichen Vorschriften der oder unter den deutschen Einzelstaaten treten außer Kraft; dagegen bleiben die mit Österreich, den Niederlanden und der Schweiz bestehenden Verträge vorerst in Kraft und wird die notwendige Regelung der Verhältnisse mit den genannten fremden Staaten vorbehalten.

5. Finanzwesen.

Die weitere Abänderung der Reichsverfassung bezieht sich auf das Finanzwesen des Reiches (RV. Art. 70). Durch Gesetz vom 14. Mai 1904 erhielt der ursprüngliche Art. 70 eine abgeänderte Fassung, kraft deren zwar die „Matrikularbeiträge“ beibehalten werden, aber ihre Deckung finden sollten: 1. durch „Überweisungen“ des Reiches, 2. durch Rückzahlungen des Reiches insoweit „als die übrigen ordentlichen Einnahmen des Reiches dessen Bedarf übersteigen“. Siehe über die ganze verwickelte Materie unten Abschnitt III.

6. Die Zuständigkeit des Reiches.

Die durch die Reichsverfassung (Art. 4) dem Reiche als dem deutschen Gesamtstaate übertragenen Staatsaufgaben sind im Laufe der Jahrzehnte durch eine angestrengte und intensive gesetzgeberische Tätigkeit erfüllt und dadurch um die deutschen Staaten und Stämme ein immer festeres und engeres Band geschlungen worden. Eine der letzten Aufgaben, die nach dieser Richtung zu lösen waren, war der Erlaß eines Vereinsgesetzes (RV. Art. 4 Z. 16). Das große und schwierige Problem, das die ältere Theorie und mit ihr die

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/159&oldid=- (Version vom 31.7.2018)