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Georg Weerth: Die Armen in der Senne aus Deutsches Bürgerbuch für 1845

davon zu gehen. – Mehrere Male war schon das größeste der Kinder in das nächste Dorf geschickt zu dem Prediger. „Der Vater sei so krank,“ ließ man ihm sagen, „er möge doch mit den Sterbesakramenten kommen.“

Der Pastor war jedesmal erschienen, – aber wozu der Trost schöner Worte? – Man ließ ihn rufen, weniger der Gottseligkeit wegen, als daß er noch ein Mal die Noth sähe, noch ein Mal eine Unterstützung auswirkte, oder vielleicht noch ein Mal in die eigne Tasche griffe; denn der kranke Vater machte noch keine Sterbemiene; – sechszehn Wochen lag er schon am Boden, er war an Schmerzen gewöhnt, er wollte leider noch nicht sterben. – So ging der halbe Winter vorüber, die Gegend war von dichtem Nebel umhüllt; – bald konnte man kein Kind mehr hinausschicken, – es wäre in den sumpfigen Wegen, im Schnee, auf den unsichern Sandschichten unrettbar verloren gewesen; – die Hülfe der Nachbarn wurde durch die vielen Armen immer kleiner, manchmal blieb sie ganz aus, und vom Hunger gestachelt, jammerten dann die Kinder in der Hütte umher. –

Als die Sonne wieder einmal roth hinter den fernen Bergen hinabgesunken war, und in und um die Hütte das tiefste Dunkel lag, schleicht der junge Bauer aus der Thür, geht an die Wand, hinter welcher der kranke Vater lag, er schauert zusammen, zerdrückt noch eine Thräne im Auge – und mit kräftigem Stoß reißt er die morsche Lehmwand auseinander. – Der Kranke, gänzlich erschöpft, ist gerade in festen Schlaf versunken, er merkt nicht, daß ihm der kalte Nachtwind über das Gesicht streicht, und als er endlich wach wird, sich nicht von der Stelle bewegen kann und um Hülfe wimmert, – da hört ihn Niemand, – man ist an das Jammern gewöhnt; – der Sohn verbirgt sein Gesicht im Stroh, – die Kinder schlafen. – Der Nebel ist indeß verschwunden, – in der Nacht wird es sternhell, – es wird bitter kalt. – Um Mitternacht ist der Alte schon besinnungslos – als der Morgen kommt ist er todt. –

Jetzt hat der junge Bauer nur noch für die Kinder zu sorgen. Nach einigen Tagen sieht man die Hütte in Flammen aufgehn. –

Empfohlene Zitierweise:
: Georg Weerth: Die Armen in der Senne aus Deutsches Bürgerbuch für 1845. C. W. Leske, Darmstadt 1845, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsches_Buergerbuch-270.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)