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Georg Weerth: Die Armen in der Senne aus Deutsches Bürgerbuch für 1845

gern leiden mag und kein Geld habe, was thue ich dann? Entweder muß ich bei einem Paderborner Juden das Geld borgen und abscheuliche Procente bezahlen; oder – und dann sieht mancher junge Bauer verschämt zur Erde. –

Am schlimmsten sind die Leute daran, welche sich durch irgend einen günstigen Ackerfleck verleiten ließen, mitten in die eigentliche Senne zu ziehen, denn dort sind sie, wenn im Winter die ohnehin ungangbaren Wege ganz verschneien, von aller Welt abgeschnitten. Der Vorrath von Kartoffeln geht bald zu Ende; durch die schlechte Witterung, welche die Lehmwände der Hütten naß und feucht macht, brechen Krankheiten in’s Haus herein; – mehrere Glieder der Familie liegen schon, die Alten an der Gicht, die Jungen am Nervenfieber darnieder, – da macht der Gesundeste sich auf und eilt zu dem Prediger des nächsten Dorfes. Der soll trösten, helfen, retten. Man sagt ihm, ein Sterbender wünsche die Sacramente. Er kommt an Ort und Stelle, sieht den Jammer und die Noth, sieht aber auch ein, daß das Heiligthum hier weniger helfen kann, als eine wollene Decke, als ein gutes Brod. Ist es in seiner Macht, so unterstützt er aus eignen Mitteln, bescheinigt aber gewiß den kläglichen Zustand jener Armen, damit sie aus der nächsten Ortschaft ihren Pfennig von der Behörde und die Hülfe eines Arztes bekommen.

Leider sind manchmal die Einkünfte einer Gemeinde aber nicht so groß, um jedem unglücklichen Einlieger helfen zu können, und, was noch schlimmer ist, oft findet sich auch, daß ein Bauer, nachdem er bei dem Gemeinde-Vorstand um Unterstützung angehalten hat, gar nicht zu dieser gehört, also kein Recht darauf hat. – Die Gränzen der Länder, in jener Ebene durch nichts Hervorstechendes markirt, waren ihm nicht bekannt; er weiß nicht, ob er ein Preuße, ein Lipper, oder was sonst ist und ehe er sich von der einen Behörde an die andere wenden konnte, ist der Tod in seine Hütte hereingebrochen, und hat mit seinem kalten Kuß allem Leid ein Ende gemacht.

Vor nicht gar langer Zeit fuhren wir von der Lippe’schen Gränze in’s Preußische hinüber und wurden auf dieser Postwagenreise

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: Georg Weerth: Die Armen in der Senne aus Deutsches Bürgerbuch für 1845. C. W. Leske, Darmstadt 1845, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsches_Buergerbuch-268.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)