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Georg Weerth: Die Armen in der Senne aus Deutsches Bürgerbuch für 1845

Wir wollen von den Bergen hinuntersteigen und uns auf dem eigentlichen Terrain näher umsehen. – Eine Wüste nannten wir jenen Landstrich, und dennoch bevölkert! Leider ist dieß nur zu wahr; – denn auch hier, wo die Natur dem Menschen geradezu untersagt zu haben scheint, sich anzubauen, hat der Arme, dem kein besserer Boden zu Theil wurde, sein Korn der Erde anvertraut. Hier und dort, wo der Sand fester und feuchter ist, sieht man Buchwaizen und Hafer in dünnen Halmen aufschießen; gleich daneben, hinter einem Zaun, aus Birken geflochten, weidet eine magre buntgefleckte Kuh, wohl die einzige Trösterin des Bauers, der nicht weit davon aus Lehm und Baumzweigen seine niedrige Hütte aufgeschlagen hat. Treten wir an die Thür derselben, da schlägt uns ein dichter Rauch entgegen, denn für einen Schornstein hat man nicht gesorgt. Ist im Winter der Heerd erloschen, da muß der in der Hütte zurückgebliebene Rauch und Dunst noch wärmen. Gehen wir vorüber, da laufen uns einige zerlumpte Kinder nach; sie halten die Hände gefalten und murmeln eine Sprache, welche Niemand versteht. Aber in den kümmerlichen Blicken kann man lesen, was sie wollen, und gebt ihr einem kleinen Mädchen mit hellblonden Haaren, eine Silbermünze, da ist es mehr als sie je besaß, mehr als sie in mehreren Wochen durch Flachsspinnen verdienen kann. – Es ist so rührend-komisch, wenn man mit einem Bauer spricht, welcher eben aus Friesland zurückkommt, wo er einige Monate für Lohn arbeitete. Seine Augen blitzen vor Freude; er bringt Geld mit, Geld in dem kleinen ledernen Beutel; das kleine Feld ist unterdeß leidlich gediehen; – die Kuh ist noch am Leben; er dünkt sich reich und glücklich! Da sieht er plötzlich seine Kinder herbei laufen und er wird ernst und still; es fällt ihm ein, daß Alles vielleicht nicht hinreicht, um die junge Brut durch den Winter zu bringen.

„Aber, beim Teufel, lieber Mann, weßhalb hat er auch so viele Kinder!“ Ja, sagt der Bauer dann, die Obrigkeit ist auch gar nicht damit zufrieden. Seh’n Sie, wenn unser Eins heirathen will, da muß er erst auf dem Amt 150 harte Thaler vorzeigen können, und kann er dieß nicht, da mag er gehn, – er wird nicht copulirt. Wenn ich nun unsers Nachbars junge Liese

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: Georg Weerth: Die Armen in der Senne aus Deutsches Bürgerbuch für 1845. C. W. Leske, Darmstadt 1845, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsches_Buergerbuch-267.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)