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165. Abschied vom Liebchen.


Sehr mäßig. Melodie mündlich, aus dem Brandenburgischen.
Noten
Noten


(Vgl. Nr. 164.)

1.
O Berlin, ich muß dich lassen,

o du wunderschöne Stadt!
und darinnen muß ich lassen
meinen auserwählten Schatz.

2.
Schönster Schatz, du thust mich kränken

tausendmal in einer Stund:
wenn ich nur das Glück könnt lenken,
dir zu küssen deinen Mund!

3.
Ich bin zwar noch jung von Jahren,

und das Reisen mir gefällt,
etwas Neues zu erfahren,
wie es zugeht in der Welt.

4.
O ihr Wolken, gebet Wasser,

daß ich weinen kann genug;
meine Aeugelein sind nasser,
nasser als der Donaufluß.

5.
Liebster Schatz, wenn du willst schreiben,

schreibe mir ein Briefelein,
daß du mir getreu willst bleiben;
drücke auch dein Herzchen ein!

(Vielfach mündlich, aus dem Brandenburgischen [Berlin, Wilsnack, Oderberg], Hessen-Darmstädtischen [Neunkirchen im Odenwald], aus Baden, Schlesien etc. Mit Benutzung von flieg. Blättern aus der Zeit zwischen 1750 u. 1808.)

Nach einem flieg. Bl. (gedruckt um 1750) lautet die 1. Str. also: „Jetzt muß ich die Stadt verlassen, Nürnberg, diesen schönen Platz; muß darin zurücke lassen meinen auserwählten Schatz.“ – Mit Bezug auf Str. 4 scheint mir diese Lesart für die ursprüngliche gelten zu können. Vgl. übrigens auch: Wunderhorn. I, 289; in neuster Aufl. III, 233. (Sehr geändert.) L. Erk, Volksl. B. I, H. 5, S. 47, Nr. 40; B. II, H. 6, S. 24, Nr. 22. – Kretzschmer, Volksl. I, 441. – Simrock, Volksl. S. 254. – F. L. Mittler, „Deutsche Volkslieder.“ S. 635. – Es verdient bemerkt zu werden, daß dieses (seinem Alter nach jüngere) Lied nicht selten einzelne Strophen aus andern (weit ältern) Liedern in sich aufnimmt. Vgl. z. B. „Ach in Trauern muß ich leben.“ (Liederh. S. 365.) – „Wer bekümmert sich und wenn ich wandere.“ (Liederh. S. 300.) – „Schatz, mein Schatz, warum so traurig?“ (Liederh. S. 271.) – Ferner: „Mädchen, wenn ich dich erblicke.“ (Hoffmann v. F. Schles. Volksl. S. 180. – Mittler. S. 635.) – Im Wunderh. I, 84. (In neuster Aufl. I, 95.) noch ein anderer hierhergehöriger Mischling.

2, 3. Wenn ich nur die Gnad könnt haben. (1750.)

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin 1856, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_366.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2019)