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142. „Springel- edder Langedanz.“
(Aus Dithmarschen.)
1.
„Dat geit hīr jegen den Samer,

jegen de leve Samertīt:
de Kinderken gān spelen
an dem Dale;“ dat sprak ein Wīf.

2.
‚‚‚Och Mömken, min leve Moder,

mochte ik aldar tom Aventdanze gān,
dar ik höre de Pipen gān
und de leven Trummen schlān?‘‘‘

3.
„Och nēn, min Dochter, nichten dat!

du schalt, du schalt schlapen gān.“

4.
‚‚‚Och Mömeken min, dat deit mi de Nōt,

dat deit mi de Nōt:
kame ik tom Aventdanze nicht,
so mot ik sterven dōt.‘‘‘

5.
„Och nēn, du min Dochter,

alleine schalstu nicht gān;
so wecke du up dinen Broder
und lat en mit di gān!“

6.
‚‚‚Min Broder is junk, is men ein Kint,

ik wecke en altes nicht;
vēl lever wecke ik einen andern Man,
und den ik spreken schal.‘‘‘

7.
„O Dochter min, Got geve di grōt Heil,

Got geve di grōt Heil:
nu ik di stüren nichten kan,
so gā du al darhen!“

8.
Do se tom Aventdanze kam,

to dem Kinderspele kam,
se lēt er Ogen herummer gān,
ēr se den Rüter fant.

9.
De Rüter de was gūt, he tōch af sinen Hōt,

he tōch af sinen Hōt,
he kussede se vor den Munt
an dem Danze dar se stunt.

(Vgl. Nr. 141.)

(Hans Detleff’s Mf. fol. 27a. [Neocorus. II, 569. Uhland. I, 81.] – „Anton Biethens Beschreibung und Geschichte des Landes Dithmarschen.“ S. 109. – P. Mohr, „Zur Verfassung Dithmarschens“ etc. S. 198. – K. Müllenhoff, „Sagen Märchen und Lieder“ etc. S. 482.)

1. Edder, oder. Wief, Weib. – 2. Vgl. Liederhort. S. 65. – Mömeken, Mütterchen. Möme, Mutter. – 3. du schalt, du sollst. – 4. deit, thut, – 6. men, nur. altes, durchaus. – 7. stüren, steuern, wehren. al, schon, gleichwol.

Bei den Dithmarschen gab es vor Alters zwei Arten des „langen Tanzes,“ einen sogenannten Trümmekendanz (Trommeltanz), der mit vielem Treten und Handgebärden ausgerichtet ward, – und als zweite Art den Springeltanz, bei dem viel gehüpft und gesprungen ward. Der Trümmekentanz war schon zu Neocorus Zeit fast außer Gebrauch gekommen; er ist offenbar die ältere Art, wenigstens von kriegerischem und höherem Charakter. Nur wenige Lieder wurden noch dabei gebraucht. Man darf vermuthen, daß die historischen Lieder voll kriegerischen Geistes ursprünglich nur zum Trümmekentanz gesungen wurden. – Die zweite Art, der Springeltanz, hat einen heiteren Charakter. Er war vorwiegend im Gebrauch und die meisten Lieder wurden dazu gesungen. Beiden Arten gemein scheint diese Weise der Ausführung gewesen zu sein: „Ein Vorsänger, der auch wol einen zu sich nimmt, der ihm beistehe und ihn ablöse, steht und hat ein Trinkgeschirr (wie in den Tänzen der Elbe und Zwerge) in der Hand und hebt also den Gesang an. Wenn er einen Vers ausgesungen, singt er nicht weiter, sondern der ganze Haufe, der entweder den Gesang auch kennt oder wol aufgemerkt hat, wiederholt denselben. Und wenn sie

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Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin 1856, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_312.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2019)