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5.
Warum soll mich denn so sehr

mein Verhängniß treiben,
daß wir fort nicht dürfen mehr
bei einander bleiben?
Meine Wunden schmerzen mich,
weil ich soll so jämmerlich
ändern meine Sinnen,
denn ich muß von hinnen.

6.
O denn da ich scheiden soll,

warum muß ich lieben,
und das, so mir thäte wol,
hilft mich erst betrüben?
Mein Herz seufzet Weh und Ach,
weil mir das nicht folget nach,
was in meinem Leben
mir könnt Labsal geben.

7.
Nur noch dieses tröstet mich,

und du darfst es glauben,
daß ich nicht werd ewiglich
von dir außen bleiben;
meine Schmerzen werden fort
wieder eilen an das Ort
da sie angefangen
Hülfe zu erlangen.

8.
Denk zu Zeiten noch an mich,

wenn ich werde schreiben;
du wirst mir auch ewiglich
im Gedächtniß bleiben.
Hörst du oftmals Vögelein,
wisse, daß es Boten sein,
die mit ihrem Singen
einen Gruß dir bringen.

9.
Schleicht zu dir ein Windchen ein

hier auf deiner Gassen,
wisse, daß es Seufzer sein,
die von mir gelassen;
tausend schick ich täglich aus,
die da schleichen für dein Haus,
diese da zu finden,
die mich konnte binden.

10.
Dieses hab ich noch zuletzt

meiner Tausend-Freude
zur Nachrichtung aufgesetzt;
nun so heißts: Ich scheide!
Lebe du in Fried und Ruh,
bis du thust die Augen zu;
reich mir deine Hände,
denn es geht zum Ende.

(„Tugendhaffter Jungfrauen und Jungengesellen Zeit-Vertreiber, Das ist: Neu-vermehrtes, und von allen Fantastischen groben unflätigen und ungeschickten Liedern gereinigtes Weltliches Lieder-Büchlein, Bestehend in vielen, meistentheils Neuen, zuvor nie im Truck ausgegangenen lieblichen und anmuthigen Schäferey- Wald- Sing- Tantz- und keuschen Liebesliedern. Alle, von bekannten annehmlichen Melodeyen, in ein ordentlich verfaßtes Register zusammen getragen, Durch Hilarium Lustig von Freuden-Thal. (Folgt ein Holzschnitt.) Gedruckt im gegenwärtigen Jahr.“ 8. 201 Lieder enthaltend. Aus der 2. Hälfte des 17. Jh. – Vermuthlich um 1690 gedruckt. – Das. Nr. 195.)

2, 1. Wenn zween gute Freunde sich (1690). – 4, 1. O ihr Liebesgötter ihr! (flieg. Bl.) 4, 3. muß in Liebe gehen? (1690.) 4, 8. aufrecht, aufrichtig. – 7, 5. meine Striemen werden fort. – 9, 7. daß sie diese finden. (flieg. Bl.) 9, 8. die mich kunnte binden. (1690.)

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin 1856, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_263.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)