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Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort

46. Der Vorwirth.


Sehr mäßig. Mündlich, aus Schlesien. (Walldorf bei Reiße.)
Noten
Noten


1.
Es wollt ein Herr ausreiten,

er ritt wol in die Weite.

2.
Er ritt wol übern geweihten Kirchhof,

da schrieen ihm die Todten nach.

3.
„Reit sachte, o lieber Herre mein,

du reitest mir über mein Gräbelein.

4.
„s ist heutigen Tags ein Jahr gewest

und daß du mich erschlagen hast.“

5.
‚‚‚Hab ich dich gleich erschlagen,

die Sünde muß ich tragen.

6.
‚‚‚Ich hab mir genommen dein Wittfräulein,

ich erzieh dir deine Waiselein.‘‘‘

7.
„Mit was ziehst du meine Kindlein groß?

mit Beten, Schlägen und scharfer Noth!

8.
„Hättst du mich lieber am Leben gelän,

ich hätt mir sie wollen schon selber schlän.

9.
„Ich laß meiner Frau mittesagen,

sie soll nicht so weinen und wehklagen;

10.
„Sie soll nicht so weinen und traurig thun,

sie stört mir meine ganze Ruh.

11.
„Sie soll auf den Abend kommen zu mir,

wenn alle die Leute werdn schlafen gehn,

12.
„Wenn alle die Thüren verschlossen sein

und alle die Gräber weit offen sein.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin, Preußen 1856, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_158.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2019)