Seite:Deutscher Liederhort (Erk) 062.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort

9.
Feinsliebchen die schaute zum Fenster hinaus,

und sah wol in der Fern
einen jungen Matrosen da stehen,
sie liebt ihn gar zu gern.

10.
‚‚‚Was schilderst du hier, du Schilderknecht?

was schilderst du in meim Land?
Als ich das letzte Mal bei dir war,
verweigerst du mir die Hand.

11.
‚‚‚Als ich dir meine Treu anbot,

was sagtest du da zu mir?
Nun ich das reichste Mädchen bin,
nun kenn ich auch nicht dich.‘‘‘

12.
„Feinsliebchen, so du mich nicht haben willst,

so geh ich gleich nach meim Schiff,
nach meinem weiten Hafen,
wo ich allzeit so gerne bin.“

13.
Sie nahm das silberne Becherlein,

goß darein den rothn kühlen Wein:
‚‚‚Sieh hier, sieh da, du junger Matros,
du sollst mein eigen sein!‘‘‘


(Mündlich, aus Marne.)


19. Die Hungersnoth.


Wehmüthig. Mündlich, aus Waltdorf bei Neiße.
Noten
Noten


1.
Wir haben im Felde gestanden:

kein Bissen Brot vorhanden,
swar große Hungersnoth. :|:

2.
Wir ließen den Kaiser bitten,

er möcht uns doch erretten
mit einem Bissen Brot.

3.
Der Kaiser thäte schicken

um dreißig Silberstücke
für achtzigtausend Mann.

4.
Die Stücklein waren geschnitten

als wie die halben Glieder,
die an dem Finger sind.

5.
Wir habens nicht selber gegessen,

wir habens den Pferden gelassen,
swar große Hungersnoth.

6.
Die Wurzeln aus der Erden

habn wir uns ausgegraben,
ist unsre Speise gewest.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin, Preußen 1856, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_062.jpg&oldid=- (Version vom 25.10.2019)