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Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort

6a. Das Schloß in Oesterreich.
(Flieg. Blatt vom Jahre 1606. „Drey Schöne Newe Lieder.“ Das dritte.)


1.
Es liegt ein Schloß in Oesterreich,

ist uns ganz wohl erbauet
von Silber und von rothem Gold,
mit Marmelstein gemauret.

2.
Darin da liegt ein junger Knab

auf seinen Hals gefangen,
wol vierzig Klaftern tief unter der Erd
bei Nattern und bei Schlangen.

3.
Sein Vater kam von Rosenberg

wol vor den Thurm gegangen:
„Ach Sohne, liebster Sohne mein!
wie hart liegstu gefangen!“

4.
‚‚‚Ach Vater, liebster Vater mein!

gar hart lieg ich gefangen,
wol vierzig Klaftern tief unter der Erd
bei Nattern und bei Schlangen.‘‘‘

5.
Sein Vater zu den Herren gieng:

„Gebt uns los den Gefangen!
dreihundert Gülden die wolln wir euch gebn
wol für des Knaben sein Leben.“

6.
„„Dreihundert Gülden die helfen euch nicht,

der Knab und der muß sterben:
er trägt ein güldene Ketten am Hals,
die bringt ihn um das Leben.““

7.
„Trägt er ein güldene Ketten am Hals,

hat er sie doch nicht gestohlen,
hats ihm ein zarts Jungfräulein verehrt,
darbei hat sie ihn erzogen.“

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin, Preußen 1856, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_015.jpg&oldid=- (Version vom 25.10.2019)