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Jungfrau Sieglinde.

Das war Jungfrau Sieglinde,
Die wollte früh aufstehn,
Mit ihrem Hofgesinde
Zum Frauenmünster gehn.

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Sie gieng in Gold und Seide,

Mit Blumen und Geschmeide,
Das ward zu großem Leide.

Es stehn drei Lindenbäume
Wohl vor der Kirchenpfort’,

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Da saß der edle Heime,

Der sprach viel leise Wort’:
„Was Gold, was Edelsteine!
Hätt’ ich der Blumen eine
Aus deinem Kranz, du Feine!“

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So sprach der Jüngling leise,

Da trieb der Wind sein Spiel,
Daß aus der Blumen Kreise
Die schönste Rose fiel.
Herr Heime thät sich bücken,

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Die Rose wegzupflücken,

Damit wollt’ er sich schmücken.

Da war ein alter Ritter
In Siegelindens Chor,
Dem war es leid und bitter,

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Gar zornig trat er vor:
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_177.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)