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Es schwang auf’s treue Roß sobald

Der Kaiser sich und ritt zu Thal,
Die Vögel sangen hell im Wald,
Grüßend die Sonn’ und ihn zumal.

Er ritt hinab vom Wolkenstein,

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Also ward seine Burg genannt,

Es lag das Thal im lichtem Schein,
Es stand so segenreich das Land.

Jetzt sah er fern drei Lilien blühn,
Sie warfen milden Schein in’s Thal!

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Er sah bei’m Kreutz den Heil’gen knien,

Sein Haupt bekrönt mit Himmelsstral.

Da sprang er von dem treuen Roß,
Eilt’ fröhlich auf den Greisen zu,
Goß allen Schmerz in seinen Schooß,

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Und schon erfühlt’ er alte Ruh’.


„Trag ab den Wolkenstein zur Stund’ –
Also der heil’ge Waldrich sprach –
Stell’ eine Kirch’ in Thales Grund,
Und denk’ an des Erlösers Schmach!“

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Drauf schwand dahin der heil’ge Greis,

Ihn fand nicht mehr des Kaisers Blick,
Doch blieben die drei Lilien weiß,
Doch blieb das Kreutz im Thal zurück.

Der fromme Ludwig ließ sobald

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Abtragen seinen Wolkenstein,

Er setzt’ ihn aus dem düstern Wald
Zu Thal in Mond- und Sonnenschein.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_170.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)