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Vermächtniß.

An die Freunde.

Es kommt die Zeit, da ich nicht mehr zu sagen,
Was dieses Lied euch deuten soll, vermag;
Da dieser Mund auf eure Grüß’ und Fragen
Tief schweigen wird, und nun mein letzter Tag

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Mir ohne Sang und Lust wird nächtlich tagen:

Drum eh dieß Leben hemmt der jähe Schlag,
Solang’ es noch beim Frohen bleibt und Alten,
Hört, wie ich’s ewig wissen will gehalten.

Soll ich der Erste seyn, der von euch scheidet,

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Sollt ihr mich starr und stille liegen sehn,

So soll der Anblick, dran der Schmerz sich weidet,
Vor eurer Seele schnell vorübergehn.
Nie soll das Bild des Freundes, wie er leidet,
Und wie er stumm im Tode muß vergehn,

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Sein bleiches Antlitz nie, wann ihr in Freuden

Den Bund erneut, euch Wein und Lied verleiden.

Nein! wie ihm Lust und Liebe stets gelungen,
Wie er, lebendig steh’nd im Brüderkreis,
Hoch den Pokal in fester Hand geschwungen

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Zu der versammelten Gemeine Preis;

Bei schönen Namen festlich angeklungen,
Die Wangen glühend und die Blicke heiß;
Und mit Gesang zur brüderlichen Flechte
Euch rings geboten seine deutsche Rechte:

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_133.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)