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Rath im Mai.

Wo Saaten sich erheben,
Wo froh die Vögel schweben
Mit Singen himmelwärts,
In linden Maientagen

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Kannst du nicht ruhig schlagen,

Du krankes, krankes Herz?

Geh’ aus auf grüner Haide,
Wo’s Blümlein blüht voll Freude,
In Duft, Gesang und Stral;

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Leg’ dich zu ihm darnieder,

Duft, Himmelsglanz und Lieder,
Die heilen deine Quaal.

Laß ganz der Menschen Streben,
Sey wieder frei gegeben

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Der alten Einsamkeit!

Wie Vogel singt in Lüften,
Ausströmt die Blum’ in Düften,
Strömt aus, o Herz! dein Leid.

Dann kehre sonder Trauern

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In armen Städte Mauern:

Es kehret ohne Weh
Die Blum’ ins Erdreich wieder,
Träumt Sonnenschein und Lieder
Tief unter Eis und Schnee.

 Kerner.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern.. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_022.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)